Buchcover Clemens J. Setz, "Bot"
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Clemens J. Setz: Der Autor als hybride Antwort-Maschine

Clemens J. Setz: Der Autor als hybride Antwort-Maschine

Ein Computerprogramm, das die Antworten für ein Interview aus den Tagebüchern eines Autors generiert: Clemens J. Setz hat ein Experiment zur Mensch-Maschine-Kommunikation unternommen. Die besitzt für ihn eine spezielle Anmut. Von Cornelia Zetzsche

Über dieses Thema berichtet: Diwan - Das Büchermagazin am .

Seit seinem hochgelobten Debütroman "Söhne und Planeten" vor gut zehn Jahren steht Clemens Setz aus Graz unter Genie-Verdacht. Der 35-Jährige hat Erzählbände, Gedichte und vier Romane vorgelegt. Zuletzt "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre", ein Roman, der uns über tausend Seiten konsequent durch eine digital geprägte Welt führt. Die Welt, in der wir leben, die in der Literatur aber wenig vorkommt. Jetzt ging er zusammen mit der Lektorin Angelika Klammer noch einen Schritt weiter: "Bot - Gespräch ohne Autor" ist ein Gesprächsband - mit echten Fragen von Angelika Klammer und automatisierten Antworten. Cornelia Zetzsche hat mit Clemens Setz gesprochen.

Cornelia Zetzsche: Ein Bot, ein Computerprogramm, benannt in Anlehnung an den Roboter, also eine Suchmaschine, ging auf Stichwort-Suche in Ihren Tagebüchern und bietet nicht real, sondern digital mögliche Antworten. Ist das unsere Kommunikation der Zukunft oder schon Gegenwart?

Clemens J. Setz: Ich glaube, es ist sicher eine Bereicherung für Kommunikation allgemein. Ich hoffe, dass es immer mehr so funktionieren wird, dass zum Beispiel Menschen, die oft dieselbe Sache sagen, wie Ärzte oder Anwälte, zusammenschmelzen werden zu einem Hybrid mit einem Bot, mit einer Antwort-Maschine. "Answering-Machine" – auch ein schöner Begriff. Die Welt wird mehr zu einer Answering-Machine werden, denke ich.

Und Sie begrüßen das? Sie wollen lieber eine Antwort-Maschine als einen Menschen, gerade beim Arzt?

Ich möchte eine Maschine und den Menschen. Ich möchte beides – nicht ersetzen oder verdrängen, sondern bereichert und dazu addiert, das wäre angenehm. So wie auch Autoren klassische traditionelle Bücher schreiben sollen, dagegen sagt niemand was. Aber dann auch vielleicht Bücher, die nicht ganz aus ihrer Feder sind, sondern entweder von einem Kollektiv, einem sozialen Kollektiv, das in ihrem Namen sprechen darf, und hinter dem noch Menschen sind, oder einer künstlichen Intelligenz. Das fände ich angenehm, wenn wir alle diese Dinge zur Verfügung hätten, nicht nur die immer gleichen einfachen Dinge.

Damit wir nicht theoretisieren, geben wir doch einmal ein Beispiel: Angelika Klammer fragt: "Sammeln sie Untergangsszenarien?"

Die Antwort lautet: Robotic Technology Incorporated, eine Firma in Maryland, deren Auftraggeber das Pentagon ist, hat einen Roboter gebaut, der seine Energie aus organischer Materie in seiner Umwelt beziehen kann. Er heißt "EATR", "Energetically Autonomous Tactical Robot". Der Roboter soll vor allem in Kriegsgebieten eingesetzt werden, wo er sich von den dort haufenweise herumliegenden Leichen ernährt. Ich denke, nach der Auslöschung der Menschheit könnten "EATRs" die Gärtner der neuen Erde sein.

Das war aber nun überhaupt keine Antwort auf die Frage: "Lieben Sie Untergangsszenarien?". Das heißt: Die Kommunikation ist komplett ausgehebelt. Aber Sie sind ja sowieso kein Freund von linearem Erzählen.

Das stimmt, und ich finde die Antwort hier ist keine Antwort zum Thema, aber sie ist eine Antwort: Sie berührt eigentlich genau das, worum es geht. Es ist ein Untergangsszenario, es geht um den Untergang der Menschheit, in einem Satz, der durch Synonymen-Suche aufgespürt wurde. Wenn ich normal geantwortet hätte auf diese Frage, wäre ich nie auf dieses Ergebnis gekommen. So eine Art von Kommunikation, in der es nicht darum geht, dem Story-Modus zu folgen, das hat eine gewisse Anmut und eine gewisse, nirgends wohnende Poesie, um es ein bisschen gestelzt auszudrücken.

Ich als Anachronistin mit aller Scheu und Skepsis vor einer Entmenschlichung habe den Trost: Ohne Ihre Tagebücher, ohne die Fragen von Angelika Klammer, nur mit dem Bot wäre das "Gespräch ohne Autor" undenkbar.

Ich verstehe nie, warum man denkt, dass Dinge abgeschafft werden. Es ist ja auch nicht durch das Auto das Gehen abgeschafft worden.

"Bot - Gespräch ohne Autor" von Clemens J. Setz ist im Suhrkamp Verlag erschienen.