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Buchcover Andreas Reckwitz, "Die Gesellschaft der Singularitäten"

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Andreas Reckwitz, "Die Gesellschaft der Singularitäten"

Konsum, Arbeitsmarkt, Netzwelt: Spätmoderne Gesellschaften feiern das Singuläre. Das ist ein Freiheitsgewinn, produziert aber auch Verlierer. Der Soziologe Andreas Reckwitz untersucht in seinem neuen Buch die Logik des Besonderen. Von Mirko Schwanitz

Über dieses Thema berichtet: Diwan - Das Büchermagazin am .

In seinem 500 Seiten umfassenden Werk stellt Reckwitz eine Theorie der Spätmoderne auf. Die sei, so Reckwitz, durch die Herausbildung einer neuen Mittelschicht geprägt. Diese Gruppe, immer auf der Jagd nach dem Einzigartigen, dem "Authentischen", habe die Märkte seit den 70er-Jahren zu etwas Paradoxem gezwungen: der massenhaften Verfertigung des Besonderen.

Mehr als Individualismus

Singularisierung ist für Reckwitz ein sehr breitflächiges Phänomen, so Reckwitz, das über die Individualisierung von Menschen hinausgeht und eigentlich den gesamten Bereich des Sozialen umfasst: Menschen, Dinge, Orte, auch Zeiten. Reckwitz schildert sehr detailliert, wie der Druck des "Besonderen" alle Winkel unserer Gesellschaft erobern und zum Maßstab eines neuen Kulturkapitalismus werden konnte. Doch die eigentliche Leistung seines Buches besteht in der Beschreibung, wie sich dieser Kulturkapitalismus ins Soziale und Politische transformiert, etwa in Form der Polarisierung der Arbeitsverhältnisse.

"Grundlegend ist nun ein Dualismus zwischen den hochqualifizierten Tätigkeiten in der Wissens- und Kulturökonomie einerseits und den einfachen Dienstleistungen sowie sonstigen standardisierten Tätigkeiten andererseits. Die qualifizierten Wissensberufe, die kulturelle Singularitätsgüter verfertigen, können in der Spätmoderne Legitimität, Status und Ressourcen beanspruchen, während die funktionalen, 'profanen' Arbeiten an Legitimität, Status und Ressourcen verlieren." Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten

Die Kehrseiten der Entwicklung

Reckwitz sieht den Begriff der Singularisierung nicht zwingend negativ. Er weist in seinem Buch ganz klar nach, welche Freiheits- und Autonomiegewinne dieser Prozess für die Individuen mit sich brachte, die diesen Prozess tragen. Doch geht es dem Soziologen darum, auch auf die Kehrseiten dieser Prozesse hinzuweisen. Reckwitz' Buch ist ein engagiertes Plädoyer für eine Debatte über neue allgemein verbindliche Normen und Werte und ein wichtiger Schlüssel zu einem umfassenden Verständnis unserer spätmodernen Zeit.