Bundestag gebläht

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Der Mega-Bundestag kommt

Die Überhang- und Ausgleichsmandate sind schuld: Der künftige Bundestag könnte bis zu 700 Abgeordnete haben. Normal wären 598. Da müssen nach der Wahl wohl die Innenarchitekten ran – und der Steuerzahler. Von Jürgen P. Lang

Weil die Unionsparteien voraussichtlich eine sehr große Zahl an Direktkandidaten ins Parlament bringen, wird die Zahl der sogenannten Überhangmandate kräftig zunehmen. Denn die Direktkandidaten ziehen auch dann in den Bundestag ein, wenn ihre Partei dafür gar nicht genügend Zweitstimmen-Prozente bekommt. In der Praxis profitieren davon die großen Parteien. Damit das Stimmenverhältnis wieder passt, werden die kleinen Parteien seit 2013 entschädigt.

Kurz erklärt:

Zu den Überhangmandaten kommt bei der derzeitigen Parteienkonstellation eine wesentlich größere Zahl an Ausgleichsmandaten hinzu. Wie viele Zusatzmandate erforderlich sind, hängt von der Anzahl und der Verteilung der Überhangmandate ab. Profitiert hauptsächlich eine Partei davon, ist die Zahl der Ausgleichsmandate sehr groß. Zwei Beispiele:

  • Bei der Bundestagswahl im Jahr 2009 hat die Union 24 Überhangmandate erreicht. Um diese auszugleichen, wären gleich 50 Ausgleichsmandate für – damals – SPD, FDP, Linke und Grüne notwendig gewesen. Der Bundestag wäre also um 74 Abgeordnete gewachsen.
  • Wenn hingegen SPD und Union in etwa gleich viele Überhangmandate erzielt hätten, wie es bei der Bundestagswahl 2005 der Fall war, wären nur wenige Ausgleichsmandate für die kleineren Parteien angefallen.

Der Bundestag platzt

Nun droht noch ein schlimmeres Szenario als 2009. Experten rechnen damit, dass im neuen Parlament bis zu 700 Abgeordnete sitzen könnten. Am Wahlabend werden wir ab 21 Uhr erste Hinweise auf die Größe des künftigen Bundestags bekommen. Gewissheit für die Wackelkandidaten wird allerdings erst am frühen Morgen herrschen.

Über die Kostenfrage wird derzeit spekuliert. Von 10 Millionen Euro zusätzlich ist die Rede. Und da ist der Umbau des Reichstags wohl das geringste Problem. Die zusätzlichen Abgeordneten brauchen Büros, Mitarbeiter – und bekommen Diäten. Der scheidende Bundestagsvizepräsident Lammert fordert schon länger eine Deckelung der Mandatszahl auf 630 Abgeordnete – stößt aber bei den Parteien meist auf taube Ohren.