Jedes Mal, wenn Simone Hoffmann zum Briefkasten geht, tut sie das mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend: In der Post könnte wieder eine Mieterhöhung sein. Das hat sie in den vergangenen Jahren schon mehrfach erlebt. Als Geringverdienerin wird ihre Miete zwar von der öffentlichen Hand bezuschusst, aber das reicht nicht mehr.
Zwei Arten der Förderung: München-Modell und EOF
Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Mietförderung. Zum einen kommunale Modelle, hauptsächlich in größeren Städten wie zum Beispiel das "München-Modell": Hier erhalten Einzelpersonen Zuschüsse, wenn sie im Jahr nicht mehr als 38.700 Euro brutto verdienen. Für weitere Personen im Haushalt steigt die Verdienstgrenze.
Wer noch weniger verdient, bekommt etwas höhere Zuschüsse, damit er sich die teuren Mieten leisten kann. Hier gibt es das Modell der "Einkommensorientierten Förderung", kurz: EOF. Eine staatliche Förderung - die bayerische Staatsregierung regelt die Bedingungen im Wohnraumförderungsgesetz. EOF ist für Menschen gedacht, die zwischen 18.000 und 28.100 Euro brutto im Jahr verdienen. Auch bei der EOF steigt der Grenzwert mit weiteren Familienmitgliedern in der Wohnung, sodass Frau Hoffmann - die mit ihrem Mann und Sohn in Schwabing lebt - bei rund 40.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen gerade noch in den Bereich der Förderung fällt.
EOF-Mieter: Kein Schutz vor Mieterhöhungen
Seitdem ihr Vermieter, die ehemals staatliche GBW, privatisiert wurde, flattern ihr und den anderen Mietern regelmäßig sogenannte "Mietanpassungen" ins Haus. Um bis zu 15 Prozent dürfen die Vermieter alle drei Jahre erhöhen. "Das macht mir Angst vor der Zukunft", sagt die 42-Jährige leise. Sie steht massiv unter Druck. Denn im Gegensatz zum "München-Modell" sind die EOF-Mieter nicht vor Mieterhöhungen geschützt. Das "München-Modell" deckelt die Mieten in den ersten fünf Jahren, die EOF-Förderung nicht.
Also hat die Familie Hoffmann immer weniger Geld zur Verfügung, der finanzielle Druck nimmt immer weiter zu. Besonders grotesk: Durch die regelmäßigen Mietsteigerungen müssen die besonders einkommensschwachen EOF-Mieter laut einer Beispielrechnung des Münchner Mietervereins nach spätestens fünf Jahren sogar mehr bezahlen als die besser verdienenden "München-Modell"-Mieter.
Mieterverein appelliert an die Staatsregierung
Volker Rastätter, der Geschäftsführer des Mietervereins kritisiert die Staatsregierung in dieser Angelegenheit scharf: "In einem reichen Land wie Bayern kann es doch nicht sein, dass diese besonders schützenswerte Gesellschaftsgruppe einfach vergessen wird. Diese Gerechtigkeitslücke muss so schnell wie möglich geschlossen werden."
Er fordert eine Novellierung des Wohnraumförderungsgesetzes. Die Förderungen sollen regelmäßig steigen - im Gleichschritt mit den Mieten. Das zuständige bayerische Innenministerium weist auf BR-Anfrage daraufhin, dass die Staatsregierung bereits einen Gesetzeszusatz beschlossen hat. Danach kann bei EOF-Mietern die Kommune mit ihrem Fördermodell bei den Erhöhungen einspringen. Das Problem ist aber: Zum einen ist beispielsweise die Stadt München überhaupt nicht begeistert davon, dass dieses Problem auf sie abgewälzt wird, zum anderen gilt diese Gesetzesnovelle nur für Neubauten ab 2015. Allen, die vorher eingezogen sind, hilft der Gesetzeszusatz nicht. So wie Simone Hoffmann.
Ist der Mitspiegel anwendbar?
Weil sie nicht mehr weiß, wie sie mit den Mietsteigerungen klarkommen soll, wehrt sie sich. Sie hat sich von GBW verklagen lassen - zusammen mit 20 Nachbarn. Strittig ist unter anderem, ob bei solchen geförderten Wohnungen der örtliche Mietspiegel als Vergleichsmaßstab angesetzt werden kann. Im teuren München garantiert das den Eigentümern jahrelange Mietsteigerungen bis hin zum Marktniveau.
Für jeden Einzelfall sprechen die Richter des Amtsgerichts München ein eigenes Urteil. Ein Richter hat entschieden, dass der Mietspiegel auch in diesem Fall anwendbar ist. Das verschärft die Lage der EOF-Mieter weiter. Das Urteil für Simone Hoffmann wird demnächst erwartet, große Illusionen macht sie sich nicht: "Wahrscheinlich werde ich verlieren, aber vielleicht erregt man mit dem Prozess ja wenigstens Aufmerksamkeit."
Förderung verfehlt das Ziel
Die Rechtslage ist allerdings unklar. Denn bei anderen Mietern hat eine andere Richterin umgekehrt entschieden. Für die einkommensschwachen Mieter eine unerträgliche Lage: Zu ihren Zukunftsängsten kommt jetzt auch noch das Gefühl der Rechtsunsicherheit dazu.
Wenn sich nichts ändert, müssen Menschen wie Simone Hoffmann mittelfristig aus München wegziehen. Und dann wäre genau das Gegenteil von dem erreicht, was das Ziel des staatlichen Fördermodells ist: Das Wohnen in Großstädten für alle möglich zu machen.