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Eine gezündete Rauchbombe während einer Demonstration gegen den Bau der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf im Mai 1986.

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WAA Wackersdorf: Als die Gewalt eskalierte

WAA Wackersdorf: Als die Gewalt eskalierte

Heute vor 30 Jahren war ein Höhepunkt im Kampf gegen die Wiederaufarbeitungsanlage für atomare Brennstoffe in Wackersdorf. Polizeieinheiten gingen brutal gegen die Gegner der Anlage vor. Zwei frühere WAA-Gegner erinnern sich. Von Bastian Kellermeier

Traditionell war die Gegend um Wackersdorf eine CSU-Hochburg: konservativ und alles andere als aufmüpfig. Auch als 1985 der Beschluss fällt, dass die WAA kommen soll, stehen die meisten Bürger dem Projekt zunächst positiv gegenüber. Doch die massiven Polizeieinsätze verunsichern die Bürger und vor allem die Bauern der Umgebung. Als einige von ihnen Demonstranten bei sich übernachten lassen, werden auf ihren Höfen Razzien durchgeführt. Im Laufe der Zeit schließen sich immer mehr Anwohner der Protestbewegung an. Am 10. Oktober 1987 erreichen die Proteste ihren blutigen Höhepunkt.

Wieder hatten sich Gegner der WAA in Wackersdorf versammelt, über 20.000, und waren anschließend zum Bauzaun gezogen. Man stand sich wieder mal gegenüber, Bürger und Polizei, es kam wie oft zu Gedrängel und kleinen Scharmützeln.

Eskalation bahnte sich an

Auch Gisela und Klaus Pöhler waren dort. Sie standen an der Spitze der Bürgerinitiative gegen die WAA, hatten schon viel am Bauzaun erlebt. Aber diesmal bahnte sich offensichtlich eine Eskalation an:

"Da sagt ein Polizist zu mir, obwohl ich ihn nicht erkennen konnte, es war halt ein grüner Mann: Herr Pöhler, gehens da nicht hin, der Widerstand braucht sie noch." Klaus Pöhler, damals im Vorstand der Bürgerinitiative

"Wer ihnen im Weg stand, der musste halt weichen"

Dahin, das war diese Situation: auf der einen Seite wurden Steine geworfen, auf der anderen rückten Polizisten aus, um die Steinewerfer festzunehmen.

Klaus Pöhler erinnert sich an die brutale Vorgehensweise der Berliner Sondereinsatzkommandos:

"Die haben auch keinen Unterschied gemacht zwischen einem Journalisten oder zwischen einem normalen Bürger. Wer ihnen im Weg stand, der musste halt weichen, wie auch immer." Klaus Pöhler

Auch seine Frau Gisela demonstrierte damals gegen die Wiederaufarbeitungsanlage und musste verstörende Szenen mitansehen:

"Ich hab gesehen, eine Frau von der Mittelbayerische Zeitung, die heute noch bei der Zeitung ist, die ist davongerannt, er ihr hinterher und hat ihr ein paar ordentliche auf den Rücken gegeben. Ich war zwei Meter daneben, ich hab gedacht, mich trifft der Blitz." Gisela Pöhler

Polizei als Feindbild

Schon in den Jahren zuvor habe sich die Polizei immer mehr zum Feindbild entwickelt, sagt Klaus Pöhler. Obwohl sie ja nichts dafür konnte, obwohl sie von der Politik vorgeschoben worden sei. Doch nach dem 10. Oktober 87 seien die Polizisten endgültig zu Prügelknaben geworden:

"Das waren Leute, die hat man gehasst, weil sie diese verhasste Anlage beschützen mussten." Klaus Pöhler

Dabei hatten sich auch an diesem Tag noch Leute der Bürgerinitiative vor die Beamten gestellt und versucht, zu deeskalieren. Ein andermal wollten Autonome einen einzelnen Polizisten verprügeln. Der Angriff konnte aber durch andere Demonstranten verhindert werden, sagt Birgit Pöhler.

Kein Vertrauen in den Staat

Das Franziskus-Marterl, an dem sich der Widerstand vor 30 Jahren immer getroffen hat, erinnert heute daran, wie und vor allem dass Wackersdorfer Bürger wie die Pöhlers gesiegt und die WAA verhindert haben. Doch verloren haben sie dabei trotzdem etwas:

"Ich vertraue unserem Staat kein Stück. Ich würde immer alles hinterfragen, nachfragen, genau wissen wollen, egal, was die bauen, egal, was sie politisch sagen. Also, mein Vertrauen: vorbei!" Gisela Pöhler

Auch Klaus Pöhler hat sein Vertrauen in den Staat verloren:

"Bevor wir hierher kamen, war die Demokratie für uns was Selbstverständliches. Das ist es jetzt nicht mehr." Klaus Pöhler