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Neue Dauerausstellung am Obersalzberg

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Neue Obersalzberg-Ausstellung dokumentiert Idyll und Verbrechen

Das IfZ hat gestern Abend in Berchtesgaden das Konzept für die neue Dauerausstellung in der Dokumentation Obersalzberg vorgestellt. Unter dem Motto "Idyll und Verbrechen" soll die Geschichte neu vermittelt werden. Von Christine Haberlander

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Die Schau soll noch mehr als bisher die Geschichte des Nationalsozialismus mit der Geschichte des Obersalzbergs verknüpfen. Und weil der Besucherandrang an dem Erinnerungsort seit Jahren ungebrochen ist, wird der Komplex für rund 22 Millionen Euro umgebaut und um ein neues Gebäude erweitert.

Drei Kindergasbetten

Der Titel der neuen Dauerausstellung "Idyll und Verbrechen" ist bewusst gewählt. Axel Drecoll, Kurator und langjähriger Leiter der Dokumentation Obersalzberg, nennt den Grund:

"Diese schöne Landschaft ist ja ganz bewusst von Hitler und seiner Propagandamaschinerie benutzt worden, um Hitler selbst dort als scheinbaren Privatmann, Menschen- und Kinderfreund zu inszenieren. Dieses Prinzip, dass nämlich offensichtlich im Nationalsozialismus der Alltag mit der Verfolgung von Minderheiten kombinierbar war, das haben Sie ja als Fundamentalprinzip in jeder Stadt und in jedem Dorf, denn die Boykottaktionen beispielsweise gegen die jüdische Bevölkerung, die liefen ja, während für andere der Alltag normal weitergegangen ist. Also diese Diskrepanz und Gleichzeitigkeit von tatsächlicher und scheinbarer Normalität und Verbrechen, das ist eine der ganz zentralen Aussagen der neuen Ausstellung." Kurator Axel Drecoll

In der neu konzipierten Dauerausstellung werden 350 Exponate gezeigt. Etliche davon haben Berchtesgadener Bürger zur Verfügung gestellt. Darunter sind Fotos, Briefe, aber auch Dachbodenfunde wie drei originalverpackte Kindergasbetten, die Kinder vor Gasangriffen schützen sollten.

Madonna mit Geschichte

Das Bayerische Nationalmuseum stellt eine Madonna als Leihgabe zur Verfügung - mit besonderer Geschichte:

"Weil wir wissen, dass sich diese Maria mit Mondsichel im Besitz von Hermann Göring befunden hat, der ja am Obersalzberg ansässig war. Das ist aber noch nicht die ganze Geschichte, sondern besonders spannend wird sie, weil wir wissen, dass diese Maria zumindest in Teilbesitz in den Dreißiger Jahren eines jüdischen Kunsthändlers gewesen ist." Kurator Axel Drecoll

Ein rotes Zigarettenalbum mit der Aufschrift "Adolf Hitler" ist ein weiteres Ausstellungsstück. 2,4 Millionen Exemplare davon hatte die Tabakfirma Reemtsma im Dritten Reich verkauft.

"Ähnlich wie man es heute aus diesen Sammelalben kennt, die vor Fußballweltmeisterschaften kursieren, konnte man damals quasi Hitler zum Einkleben sammeln in allen möglichen Lebenslagen, eben unter anderem auch Hitler privat in seinen Bergen. Auf dem Schulhof sind diese Bilder getauscht worden. Ein Hitler hatte einen höheren Kurs als andere Einklebebilder. Zunächst mal würde man sagen: Naja, das ist halt Propaganda. Aber man kann auch sehr schön deutlich machen, wie subtil Propaganda dann auch in die Gesellschaft bei den Jüngsten dann schon eindringt und dann ja auch zum Tragen kommt." Sven Keller, Leiter der Dokumentation

Sven Keller ist der neue Leiter der Dokumentation. Der 41-jährige promovierte Historiker arbeitet seit drei Jahren am Konzept für die neue Dauerausstellung auf dem Obersalzberg mit. Allen Beteiligten war klar: neben Exponaten sollen auch die Biographien der Menschen zu hören oder nachzulesen sein, die von den Nazi-Größen enteignet und aus ihren Anwesen am Obersalzberg vertrieben wurden.

Enteignet und im KZ ermordet

Auch eine Jüdin war darunter: Dora Reiner wohnte im sogenannten Hirschenlehen auf dem Obersalzberg. Bis zum Jahr 1941. Im Mai 1942 wurde ihr Besitz in Berchtesgaden versteigert. Da war die Frau bereits ein halbes Jahr tot, ermordet in einem Konzentrationslager. Ein Schicksal von unzähligen in der Nazi-Diktatur.

Die Fundamente für die Ausstellung und den modernen Neubau hoch über Berchtesgaden sind gelegt. Wenn alles nach Plan läuft, dann wird die Schau "Idyll und Verbrechen" im Frühsommer 2020 auf größerer Fläche am Obersalzberg eröffnet.

Die beiden Kuratoren Axel Drecoll und Sven Keller erhoffen sich weiter viele Besucher, an diesem historischen Erinnerungsort.