Das Aus- und Fortbildungszentrum für Kaminkehrer in Mühlbach bei Dietfurt liegt idyllisch im Altmühltal. Es ist die einzige überbetriebliche Fortbildungsstätte für das Schornsteinfegerhandwerk in Nordbayern. Im Januar wurden in einem Billardraum der Schule Videos von Besorgnis erregenden Vorkommnissen gedreht. Heimliche Mitschnitte davon wurden dem Bayerischen Rundfunk zugespielt. In den Videos sitzen teils minderjährige Azubis gesellig beieinander, trinken Bier und rauchen. Auch ein Ausbilder ist dabei. Die Stimmung ist laut und ausgelassen. Da fragt der Ausbilder die Schüler einzeln durch:
"[Lehrer:] Kamerad, woher bist Du? [Schüler:] Oberpfalz. [Lehrer:] Kamerad, woher bist du? [Schüler:] Oberfranken. [Lehrer:] Was sagt uns das? Ein Volk, ein Reich … [Gemeinsam:] ... ein Führer! Sieg heil! Sieg heil!" Aus einem der geheim gedrehten Amateurvideos
NSDAP-Parteihymne gesungen
Die Videos zeigen außerdem, wie der Ausbilder das sogenannte Horst-Wessel-Lied anstimmt, die verbotene Parteihymne der NSDAP. In anderen Einstellungen ist zu sehen, wie der Schornsteinfeger-Meister antisemitische und homophobe Witze erzählt. Ein Schüler wird bloßgestellt, so dass dieser den Raum verlässt. Immer wieder werden Parolen wie "Ausländer raus" und "Sieg Heil" skandiert. Mit rollendem "R" versucht sich der Ausbilder als Hitler-Imitator. Die Leiter des Ausbildungszentrums reagieren fassungslos, als sie die Videos sehen.
"Das ist ja unterstes Niveau, Level Zero und noch drunter. Das gibt’s doch überhaupt nicht. Das kann doch nicht sein. Tut mir leid, da bin ich bei meinem Kollegen, das kann man sich ja nicht mal anschauen, das könnte ja irgendwo auf einer NPD-Versammlung gefilmt worden sein, meine Güte. Oder bei den Rechtsradikalen." Richard Herbst, geschäftsführender Vorstand des Zentrums und Obermeister der Kaminkehrerinnung Oberfranken
Schulleiter suspendieren Lehrkraft
Die Leiter des Schulungszentrums erkennen den Lehrbeauftragten in den Videos eindeutig. Es sei das erste Mal, dass sie von so einem Vorfall erfahren, sagen sie. der Schulleiter Peter Wilhelm hat nach der BR24-Anfrage umgehend erste Schritte eingeleitet:
"Es ist für mich eine ganz neue Erkenntnis. Wir haben natürlich sofort reagiert, nachdem wir Kenntnis davon gehabt haben. Wir haben sofort dem betroffenen Hauptakteuer, so bezeichne ich den mal, von sämtlichen Unterrichtseinheiten entbunden. Ich persönlich in meiner Person und ich denke das gesamte Team vom Ausbildungszentrum distanziert sich von derartigen Vorfällen." Peter Wilhelm, Leiter der Ausbildungsstätte in Mühlbach
Klarer Kurs pro Demokratie in Bildungseinrichtungen
Stephan Doll, der Vorsitzende der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, ist erschüttert, als er die Aufnahmen sieht. Besonders schlimm sei der "Nazi-Jargon" und die Tatsache, dass es ein Ausbilder sei, der die Stimmung unter den Lehrlingen anheize. Gerade in Zeiten, in denen Parteien wie die AfD mit ihren rechtsextremen Parolen auch in der Mitte der Gesellschaft punkten könnten, sei es notwendig, dass Bildungseinrichtungen mit einem klaren Kurs pro Demokratie solchen Tendenzen entgegenwirkten.
"Das Thema Demokratie, Demokratiebildung und Stärkung geht glaube ich viel zu oft unter, weil es nämlich um anderes geht, um Auswendiglernen. Ich glaube, da sind insgesamt nochmal Kultusbehörden gefordert und alle, die für den Bereich Ausbildung zuständig sind." Stephan Doll, Vorsitzender Allianz für Rechtsextremismus
Ausbilder lehnt Stellungnahme ab
Der Ausbilder wollte sich auf Anfrage von BR24 nicht äußern. Über seinen Rechtsanwalt lässt er mitteilen, er distanziere sich von dem Vorfall und sympathisiere nicht mit rechtsorientiertem Gedankengut. Die zuständige Kaminkehrerinnung versucht den Mann aus der Innung auszuschließen. Außerdem stellte die Schule Strafanzeige gegen die ehemalige Lehrkraft. Nun ermittelt der Staatsschutz der Kriminalpolizei Regensburg.