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Campus Doku Kann Hydrokultur den Hunger stoppen?

An vielen Orten der Erde ist der Anbau von Lebensmitteln klimatisch bedingt kaum möglich, oder durch Überbevölkerung, Klimawandel und Misswirtschaft schwierig geworden. Wissenschaftler, Bauern und Entwicklungshelfer versuchen mit Hilfe der Hydrokultur eine zukunftweisende Anbaumethode zu etablieren, die in solchen Regionen Landwirtschaft (wieder) ermöglicht.

Von: Arno Trümper

Stand: 26.03.2023

Es ist ein kleines landwirtschaftliches Wunder und von großer Bedeutung für die Sahrauis. Sie sind Flüchtlinge und leben in Lagern, nahe Tindouf (Algerien), mitten in der Sahara, ganz im Südosten Algeriens. Hier bauen sie neuerdings eigenes Gras und bald auch Gemüse an, was bisher als unmöglich galt. Das Gemüse ist für die Menschen und das Gras ersetzt den Müll und das Altpapier von dem ihre Ziegen bisher leben mussten. Etwa 200.000 Sahrauis harren seit über 40 Jahren in den Lagern um Tinduf aus. Drei riesige Städte sind im Wüstensand entstanden. Viel zu viele Menschen auf zu engem Raum, die wenigsten mit Arbeit und alle abhängig von Lebensmittellieferungen. Taleb Brahim wollte Landwirt werden, er hat die Untätigkeit irgendwann nicht mehr ausgehalten und entdeckte die Hydrokultur. Gemeinsam mit Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts erkundet er nun, wie sie die Wasserknappheit in der Wüstenregionen und in der Sahelzone und damit dringendste Ernährungsprobleme lösen können.

Hydrokultur mitten in der Sahara

Dabei wachsen die Pflanzen direkt im Wasser, dem Nährstoffe zugefügt werden. Das ist viel effizienter als die klassische Feldwirtschaft, denn es braucht verglichen damit nur 1/10 der Wassermenge. Die Hydrokultur selbst ist nicht neu, aber Taleb Brahim hat sie für seine Bedürfnisse angepasst und mit Hilfe des Innovation Accelerators des Welternährungsprogramms immer weiter verbessert. Diese „Akademie für Innovative Entwicklungshilfeprojekte“ hat die UN-Organisation 2017 in München gegründet. Das Budget kommt zum großen Teil vom Freistaat Bayern. Hier können sich NGOs aber auch Einzelpersonen wie Taleb Brahim bewerben und Unterstützung für innovative Projekten gegen den Welthunger erhalten. Die Hydrokultur-Landwirtschaft ist so erfolgreich, dass es nun mehr Bauern im Lager machen wollen. 50 Anlagen gibt es bereits und bis Ende des Jahres 2018 sollen es 200 werden. Taleb Brahim ist zu einem international gefragten Spezialisten geworden.

Hydrokultur unter Verschluß

In einem Überseecontainer mit Solarzellen auf dem Dach, Klimaanlage und Wasserreinigungseinrichtung wachsen Pflanzen unter 100% kontrollierten Bedingungen, bei künstlichem Licht. Taleb Brahim und Marc Beckett, Doktorand am Fraunhofer Institut, testen eine Extrem-HighTech-Lösung:

"In der sonnigen Wüste erscheint das Absurd. Wir haben aber festgestellt, dass es effizienter ist, mit Solarzellen Strom für das Licht und die Klimaanlage zu produzieren und dadurch noch mehr Wasser zu sparen als bei unseren anderen Hydrokulturmethoden. Es verdunstet viel weniger als bei direkter Sonneneinstrahlung. Das alles ist aber nur möglich und effizient geworden, weil seit etwa 4 Jahren die Solarzellen extrem billig geworden sind."

Marc Beckett, Doktorand Fraunhofer Institut

Ein Food Labor für unterschiedliche Bedingungen

Nina Schröder vom UN-Welternährungsprogramm in München, plant weitere Einsatzmöglichkeiten dieser Methode. Zusammen mit dem MIT in Boston wurde der "Food Computer" entwickelt. Das ist ein Minilabor mit dem z.B. unterschiedliche Pflanzen oder Dünger-Zusammensetzungen für die Hydrokultur getestet werden können. Mit Hilfe dieser Minilabore wollen sie die Anbaumethode den besonderen Bedingungen etwa in syrischen Flüchtlingslagern in Jordanien, im Sudan und im Tschad anpassen.

Hydrokultur für Weltraumfahrten

Auf die Hydrokultur sind nun auch Weltraumforscher gestoßen. Auf langen Flügen brauchen auch Astronauten frische Nahrung. An klassische Landwirtschaft ist in Raumschiffen nicht zu denken: Die Pflanzenerde ist zu schwer und Wasser Mangelware. Die Stärken der Hydrokultur in Wüstenregionen und der Sahelzone, sind auch im Weltraum gefragt. Darum entwickeln Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Hydrokulturanbaumethoden für Raumschiffe. Herausgekommen ist ein Gewächshauscontainer, der völlig autonom ist: Mit eigener Sauerstoff- bzw. CO2-Versorgung, Heizung, Lichtquellen, Energiemanagement und Wasserrecycling. Bevor so ein Labor aber in den Weltraum geschossen werden kann, muss es erst einmal auf der Erde ausgiebig getestet werden. Dafür haben sich die Forscher die Antarktis ausgesucht, einen Ort, der sehr trocken und lebensfeindlich ist. Die erste Ernte sieht jedoch vielversprechend aus.

Campus Doku - Ein Blick in die Zukunft

Die Sendereihe greift Themen auf, die in Zukunft unser Leben prägen und verändern werden. Sie sind daher auch relevant für die jüngere Generation: Die 30min Dokus geben einen Einblick in Zukunftsfelder, deren Themen uns schon heute emotional ansprechen und zu denen die Wissenschaft Lösungen sucht. Im Mittelpunkt stehen Zukunftsszenarien, die Wissenschaftler aller Disziplinen jetzt schon beschäftigen und die ein hohes Veränderungspotential für unsere Gesellschaft haben: Themen mit Aktualität und Relevanz für unseren Alltag.


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