Respekt - Respekt

Frauenfeindlichkeit

RESPEKT Frauenfeindlichkeit

Stand: 19.09.2019

  • Frauenfeindliches Denken und Handeln ist Alltag in Deutschland. So erlebt jede vierte Frau in Deutschland zum Beispiel Schläge oder Vergewaltigungen.
  • Ursachen für Frauenfeindlichkeit sind auch männliche und weibliche Rollenmuster, die tief in der Gesellschaft verankert sind: Männer sollen hart sein und sich nehmen was sie wollen, Frauen sollen sexy und verfügbar sein.
  • Diese Rollenmuster geben vermeintlich Orientierung, doch letztlich verhindert das "Posing" oft, dass Jungs und Mädchen / Männer und Frauen sich wirklich nahe kommen.
  • Im schlimmsten Fall führt das unbewusste Nachspielen von Rollenmustern zu Gewalt gegen Frauen, weil sie wie Gegenstände behandelt werden.

Gewalttaten gegen Frauen kommen in allen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen vor. Konkret wurden im Jahr 2017 allein 114.000 Gewalttaten in Partnerschaften gemeldet, bei denen Frauen die Opfer waren. Die Dunkelziffer ist sehr hoch. Denn laut einer europaweiten Studie melden nur etwa 13 Prozent der betroffenen Frauen schwerwiegende Gewaltvorfälle der Polizei. Warum ist das so? Wie kommt es, dass so viele Männer Frauen nicht als gleichberechtigte Menschen betrachten und sie respektlos behandeln?

Diesen Fragen geht Moderator Ramo Ali in der RESPEKT-Reportage nach.

Männlich, weiblich: Was ist normal?

Wie verhält sich ein Mann respektvoll gegenüber einer Frau und umgekehrt? Antworten darauf sind schon für Jugendliche schwer zu finden. Mitglieder der interviewten Theatergruppe gestehen, dass sie sich selbst nicht so ganz wohlfühlen; etwa wenn eine Gruppe von Jungs darüber redet, wer ein Mädchen "geklärt" hat. Denn damit drücken Jungs aus, dass sie Mädchen als Gegenstände, als Objekte wahrnehmen. "Dinge", die Mann sich "holt", "nimmt"oder die einem "gehören".

Die Jugendlichen spielen eine Pornoszene mit vertauschten Rollen.

Viele junge Frauen spielen, meist unbewusst, dieses Spiel mit: Indem sie sich über Äußerlichkeiten, auch in den sozialen Medien, als Sexualobjekt inszenieren und indem sie erwarten, dass der junge Mann den ersten Schritt macht und sie erobert.

Posen und Rollenschemata

Im Grunde suchen beide Geschlechter einen Weg, miteinander in Kontakt zu kommen. Mangels Alternativen greifen sie auf Verhaltensschemata zurück. Diese Posen sagen im Grunde jedoch viel mehr über das korsetthafte Rollenverständnis in der Gesellschaft aus als über den Menschen, der sie benutzt. Denn es gibt weder "die typische Frau" noch "den typischen Mann". So verstärkt das Benutzen dieser Posen letztlich einen Teufelskreis: Je mehr wir sie einsetzen, um mit dem anderen Geschlecht in Kontakt zu kommen, desto mehr stehen sie einem wirklichen Kennenlernen im Weg. Denn das gelingt nur, wenn wir Rollen, Posen und Masken ablegen und uns so zeigen, wie wir sind: ratlos und sehr verletzlich.

Hip Hop und Pornos – welche Rollenbilder vermitteln sie?

Im Hip Hop singen Männer darüber, wie sie Frauen "klar" machen, sich ihnen überlegen fühlen, sie misshandeln. Das alles wird als "cool" verkauft und gelangt oft in die Charts. Auf Kosten der Frauen. Eine ähnliche Dynamik haben viele Pornos: Auch hier werden männliche Machtfantasien bedient. Selbst die Pornodarstellerin Lena Nitro sieht das kritisch: Sie fordert einen Pornoführerschein, damit niemand unter 18 Pornofilme anschauen kann. Auf jeden Fall vermitteln Pornos ein völlig falsches Bild davon, was "normale Sexualität" ist.

Pornodrehbücher kennen keine Gleichberechtigung

Wer sich nicht gut kennt und nicht selbstbewusst sagen kann, was er/sie (nicht) möchte, gerät durch Pornos unter Druck. Typische Pornodrehbücher handeln nicht davon, dass zwei Menschen sich auf Augenhöhe darauf einigen, was ihnen Spaß macht. Sondern der Mann übt in der Regel Macht aus über die Frau. Er nimmt sich was er will und sie muss gehorchen. Dabei verlieren im Grunde beide Geschlechter: Den Frauen nimmt es die Würde und beiden den Spielraum für Gefühle und die Chance auf Nähe.

"Das ist genau das, was bei Pornos passiert, dass es kein gleichwertiger Spaß ist, sondern ein 'Ich vergehe mich an ihr und ziehe da meinen Spaß raus'."

Filmzitat Eeske, Schauspielerin bei der Ruhrtriennale

"Toxische" Männlichkeit

Sibel Schick ist türkische Kurdin und lebt seit 10 Jahren in Deutschland. In ihren Blogs kämpft sie für Frauenrechte und erhält dafür täglich giftige Kommentare von Männern. Sie thematisiert falsch verstandene und gewaltproduzierende Männlichkeit als "toxische" also giftige Männlichkeit. Dazu gehören für Sibel Schick folgende Zutaten: Aggression, kein Zugang zu den Gefühlen und die Haltung "bloß keine Emotionen zeigen". Dazu kommt ein Hierarchieverständnis, zum Beispiel, dass Männer überlegen sind. Dabei wird Frauenfeindlichkeit benutzt, um männliche Macht und Dominanz in der Gesellschaft zu sichern. Das geht aber auch auf Kosten der Männer.

"Natürlich ist es auch für Männer nicht gut, wenn sie so sind. Deshalb ist es wichtig, dass sich Männer auch mit sich selber auseinandersetzen, mit ihrer eigenen Männlichkeit und mit dem Bild, das sie von Männlichkeit haben."

Filmzitat Sibel Schick, feministische Bloggerin

Volksfest: Darf Mann da alles?

Rollenschemata lassen sich fast überall beobachten: Auf dem Schulhof, in der Disco, auf Volksfesten. Hier sorgen Alkohol, Menschenmassen und weit ausgeschnittene, kurze Dirndl dafür, dass Hemmschwellen fallen. Wo ist die Grenze zwischen Flirt und Übergriff? Sind kurze Kleider oder große Ausschnitte eine "Aufforderung zum Grapschen"? – Ein paar Männer, die Moderator Ramo Ali befragt, tendieren dazu, es mal zu versuchen. Und ein "Nein" sehen manche sogar eher als Anlass, hartnäckiger zu werden. 

Die Frauen wiederum berichten von regelmäßigen Übergriffen: verbal und handfest. Damit müsse man beinahe rechnen auf so einer Veranstaltung wie der Regensburger Maidult, einem kleinen "Oktoberfest". Eine der befragten Frauen ist dennoch empört: Sich sexy anzuziehen heißt nicht, dass sie überall angefasst werden will. Auch wenn Hemmschwellen sinken, sollten Männer wissen, dass "einfach hinlangen" Tabu ist.

Selbstbehauptung für Frauen: richtig nein sagen

In Kursen für feministische Selbstbehauptung lernen Frauen, innere Stärke aufzubauen und ihre Grenzen klar zu vermitteln: Bis hierher und nicht weiter! Das beginnt damit, dass sie sich bewusst machen, wo ihre Grenzen sind. Dann spielen sie im Geiste Gefahrensituationen durch: Was tun, wenn sich Schritte im Dunkeln von hinten nähern? Anna Pytlak hat traumatische Erfahrungen gemacht. Schon der Gedanke an die Schritte von hinten löst eine Panikattacke bei ihr aus. Andere Teilnehmerinnen reagieren weniger dramatisch. Vielen fällt es jedoch schwer, im entscheidenden Moment laut und entschlossen zu handeln, anstatt stumm und starr zu werden. Doch diese Entschlossenheit lässt sich trainieren.

Selbstbehauptung zu lernen, kann Frauen individuell stärken. Aber um Frauenfeindlichkeit wirklich zu bekämpfen, braucht es andere Rollenbilder in der ganzen Gesellschaft.

"Ich kann ja einen Menschen attraktiv finden, ich sexualisiere ihn, weil ich ihn anziehend finde, ich finde ihn heiß und schaue ihn gerne an. Aber eine Objektifizierung ist dann, dass ich diesem Menschen abspreche, eine Selbstbestimmung zu haben. Dass ich denke: Ich kann mit dir machen, was ich will, ohne dass du Mitspracherecht hast."

Filmzitat Anna Pytlak, Aktivistin bei Slut Walk

Formen (sexueller) Gewalt gegen Frauen

  • In Musikvideos oder Pornofilmen werden Frauen oft zu bloßen Objekten: ein "Ding", das Mann benutzen kann. Ihnen wird damit ein Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen.
  • "Victim Blaming" passiert häufig: Frauen wird eingeredet, sie seien selber schuld, Opfer eines Übergriffs geworden zu sein. Etwa weil sie einen Minirock anhatten.
  • Femizid heißt: Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Zum Beispiel, weil sie vor der Ehe Sex hatten, oder vergewaltigt wurden. Die Täter, meist aus der Familie, nennen dies "Ehrenmord".
  • Auch im Internet werden Frauen zum Opfer von digitaler Gewalt. Regelmäßig werden Frauen Opfer von digitalem Stalking durch ihren Ex-Partner.

Unsere Gesellschaft legt schon früh die Wurzeln für Sexismus und Frauenfeindlichkeit, etwa mit Rollenmustern. Es braucht viel (Selbst-)Bewusstsein und viele Gespräche zwischen Männern und Frauen, um mehr Verständnis und Respekt füreinander zu bekommen. So lässt sich "toxische" Männlichkeit und Gewalt gegen Frauen Schritt für Schritt abbauen.

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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