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Sexuelle Identität - LGBTQI*

RESPEKT Sexuelle Identität - LGBTQI*

Stand: 14.12.2020

  • Sexuelle und geschlechtliche Identität bezeichnet, wie Menschen ihr körperliches Geschlecht (engl. sex) und ihre soziale Geschlechterrolle (engl. gender) sehen. Aber auch, wie andere diese wahrnehmen.
  • Diskriminierung ist für LGBTQI*-Menschen in Deutschland alltäglich. 30 Prozent erleben Benachteiligungen im Arbeitsleben. Im Bereich Öffentlichkeit und Freizeit sind es sogar 40 Prozent.
  • Kennenlernen hilft. In Studien wurde nachgewiesen, dass nicht nur persönliche Begegnung, sondern sogar indirekter Kontakt Vorurteile abbaut.
  • Lehrer:innen haben ein wichtige Vorbildrolle. Positiv wirkt etwa, wenn sie von sich selbst oder eigenen queeren Freund:innen oder Familienangehörigen erzählen.

Regenbogenflaggen, schwule Politiker, lesbische Moderatorinnen. Frauen, die mal Männer waren. Sexuelle Vielfalt gehört zur alltäglichen Normalität. Seit 2017 dürfen homosexuelle Paare auch in Deutschland heiraten. Aber werden Menschen, die von den althergebrachten Mann-Frau-Vorstellungen abweichen, in unserer Gesellschaft wirklich akzeptiert? Warum erleben LGBTQI* Diskriminierung und Gewalt, wenn angeblich niemand mehr ein Problem mit Schwulen, Lesben, Bi- oder Trans-Personen hat?

Was heißt LGBTQI*

Lesbisch (homosexuell: Frauen)
Gay (homosexuell: Männer)
Bisexuell: sowohl hetero- als auch homosexuell 
Transgender: Menschen, die sich mit dem zugeschriebenem Geschlecht nicht identifizieren.
Queer: Sammelbegriff alle möglichen Orientierungen und für die gleichnamige Bewegung
Intersexuell: Intersexuelle Körper haben Merkmale vom weiblichen und männlichen Geschlecht. 
* - Alles was nicht unter die anderen Kategorien fällt und trotzdem nicht der cis-Hetero-Norm entspricht. ("cis" von lateinisch cis- "diesseits": cis-Hetero sind alle, die in die Kategorie Hetero fallen)

Sexuelle Identität hat viele Faktoren

Sexuelle Identität setzt sich aus mehreren Aspekten zusammen. Körperliche Merkmale sind nur einer davon. Wie sich die Menschen selbst empfinden, ist dabei ebenso wichtig wie die Wahrnehmung durch die Gesellschaft - also wie eine Person "gelesen" wird. Denn an die Geschlechterrolle knüpfen sich Normen, Erwartungen oder Werte. Geschlechterrollen sind veränderbar und abhängig von Kultur und Zeit. Der vierte Faktor, der die sexuelle Identität bestimmt, ist die sexuelle Orientierung: Zu wem fühlen sich Menschen hingezogen?

Darf "Mann" seine Fingernägel lackieren?

Menschen, deren sexuelle Identität nicht ins vermeintlich "normale" Schema passt, gibt es viele - etwa 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung. Das heißt, so ziemlich jede:r müsste Personen kennen, die LGBTQI* sind. Dass viele das ganz anders wahrnehmen, hängt damit zusammen, dass viele LGBTQI*-Menschen sich scheuen, sich zu "outen". Kein Wunder, denn oft werden sie schief angeschaut, diskriminiert oder sogar körperlich angegriffen. Weil sie sich "anders" benehmen, kleiden oder definieren.

"Leute, die dich anpöbeln, in U-Bahnen, überall. Leute, die dir Beleidigungen an den Kopf werfen, sind da natürlich mit drin. Dann wirst du direkt angemacht mit: Wie kann sich ein Mann die Fingernägel lackieren?"

Phillip Pietsch, Gleichstellungsreferat der Uni München

Das Gefühl, anders zu sein, geht nicht weg

Dabei wünschen sich LGBTQI*-Menschen dasselbe wie alle anderen: Sie wollen sie selbst sein dürfen, ein gutes Leben führen und nach ihrem Charakter beurteilt werden statt nach ihrer sexuellen Identität. Die Ablehnung anderer macht das aber oft schwierig bis unmöglich. Elli Wolf etwa, die als Elias zur Welt kam, hat sich immer schon als Frau gefühlt. In ihrem Job als Schornsteinfeger allerdings muss sie sich "verkleiden", um als "Mann durchzugehen". Als sie einmal mit lackierten Nägeln zur Arbeit kam, beschwerte sich der Kunde beim Chef und der bat Elli, "es doch sein zu lassen". Elli geht es wie vielen: Sie kann mehr oder weniger nur in der Freizeit sie selbst sein und sich frei ausdrücken. Großen Halt findet sie im Glauben. Denn Gott möge sie so wie sie eben sei. Was Menschen leider oft schwerfalle.

"Man versucht, dass es irgendwie weggeht: So ist es ja gar nicht. Du darfst nicht so sein, du musst ja so und so sein, versuch's doch einfach mal, mach mal weiter so. Das wird schon. Irgendwann. (...) Was nehme ich ihnen weg, wenn ich Elli bin?"

Elli Wolf

Outen in der Schule - machen die wenigsten

  • Von den in Deutschland befragten 15- bis 17-Jährigen outen sich in der Schule sehr offen nur 12 Prozent. 60 Prozent outen sich einigen Menschen gegenüber und 27 Prozent outen sich gar nicht.
  • In der gleichen Altersgruppe geben 32 Prozent der LGBTQI* an, in der Schule ständig oder oft negative Kommentare abbekommen oder diskriminierendes Verhalten erlebt zu haben und 39 Prozent manchmal. Das sind also insgesamt 71 Prozent.
  • Lehrer:innen haben eine Vorbildrolle - wissen aber oft selbst nicht viel vom Thema und wie man damit positiv umgeht. Viele glauben, an ihrer Schule gäbe es keine LGBTQI*-Menschen.

Zahlen und Fakten: Quellen

"Pride vs. Prejudice", Online-Umfrage der EU-Grundrechteagentur von 2020
FRA: Sex, sexual orientation and gender
FRA: LGBTI people in the EU today
FRA: A long way to go for LGBTI equality (pdf)
FRA: LGBTI survey data explorer
Studien zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt
SFU Berlin: Berliner Schulen
Deutsches Jugendinstitut: "Vielfalt in der Schule fördern" (pdf, S. 26 ff.)
LGBT-Anteil in der Bevölkerung
Bielefeld: "Gleichstellung von LSBTI* in Bielefeld" (pdf)
Dalia: Counting the LGBT population
Diskriminierung im Netz, DJI-Studie "Queere Freizeit", Deutsches Jugendinstitut 2018
Queere Freizeit
DJI Impulse 120 - Jung und Queer
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Benachteiligungen im Arbeitsleben
Umfrage - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V., 2020

Liebespaar - unabhängig von der sexuellen Identität

Seit über 30 Jahren kennen sich Patricia und Sandra, seit fast ebenso vielen Jahren sind sie ein Paar. Geheiratet haben sie als Patrick und Sandra - obwohl Patrick sich immer schon als Frau gefühlt hat. Doch die Heirat änderte nichts an diesem Konflikt - im Gegenteil. Patrick ging es sehr schlecht, er war verzweifelt - so sehr, dass er Sandra gestand, dass er sich schon lange als Frau fühle. In einer E-Mail, weil er zu viel Angst hatte vor einem Gespräch. Davor, Sandra zu verlieren. Denn sie war und ist seine große Liebe. Sandras Reaktion: "Wenn du willst, dass wir uns trennen, musst du schon mehr aufbieten als das." Denn sie findet: "Wenn ich mit einem Menschen mein Leben verbringen will, ist es egal, in welcher Hülle dieser Mensch steckt."

"Wenn man irgendwo was gefunden hat, in den Büchern, dann war es halt immer eine Krankheit. Und möchte man jetzt psychisch krank sein? Nein, das möchte man nicht. Und deshalb habe ich diesen Begriff Trans auch nicht verwendet. (...) Ich wollte der Norm entsprechen und habe dann halt wirklich gut gespielt."

Patricia Schüttler, Transfrau

Das Menschenrecht, du selbst zu sein

Menschen wie Elli Wolf und Phillip Pietsch wünschen sich nichts anderes als jede:r von uns: Sie wollen sich nicht verstellen müssen - aus Angst, angegriffen, abgewertet oder abgelehnt zu werden. Und sie haben Anspruch darauf, dass die Gesellschaft ihnen das ermöglicht. Der Schutz vor Diskrimierung ist ein Menschenrecht: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." (Artikel 1, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte).

Jede:r kann dazu beitragen, dieses universelle Menschenrecht im alltäglichen Leben zu verwirklichen: Indem wir eigenen Vorurteils-Impulsen nicht nachgeben, sondern aktiv nach Verständnis, Wertschätzung und Gemeinsamkeiten suchen. Etwa das, was LGBTQI*-Menschen von ihrer "Andersartigkeit" zeigen, als mutiges Statement respektieren.

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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