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Allgemeinmedizin Desinfektion im Alltag - sinnvoll oder nicht?

Das Geschäft mit Desinfektionsmitteln boomt: Jeder vierte Deutsche trägt mittlerweile ständig ein Desinfektionsmittel mit sich herum, um sich vor Krankheitserregern und Keimen zu schützen. Doch wie sinnvoll ist dieser Schutz? Allgemeinarzt Dr. Klaus Tiedemann klärt in der Sendung "Wir in Bayern" zu diesem Thema auf.

Stand: 04.11.2019 | Archiv

Frau wäscht sich die Hände | Bild: mauritius-images

Sinn von Desinfektionsmitteln

Die Meinung in ärztlichen Fachkreisen ist eindeutig: Für gesunde Menschen besteht keinerlei Grund, sich mehrmals täglich die Hände zu desinfizieren. Die Hersteller profitieren natürlich von unserer Angst vor Keimen und Krankheitserregern: 50 ml Handdesinfektionsmittel kosten im Durchschnitt 2 € - also 40 € pro Liter!

Wann sind Desinfektionsmittel nützlich?

  • Das Desinfizieren von Händen und Flächen im Privathaushalt ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll.
  • Wenn ein Familienmitglied erkrankt ist, kann man sich so tatsächlich wirksam gegen die Krankheitserreger schützen. Dabei ist allerdings nicht das Mittel entscheidend, sondern die korrekte und vor allem konsequente Durchführung. Die Ansteckungsgefahr kann so eingedämmt werden.
  • Allerdings sollte man nicht zu einem beliebigen Desinfektionsmittel im Supermarkt greifen, sondern sich vom Arzt oder Apotheker beraten lassen.
  • Bei chronisch Kranken oder Menschen mit schwachem Immunsystem kann die Verwendung von Desinfektionsmitteln ebenfalls sinnvoll sein.

Wann ist Desinfektion überflüssig?

Wenn keine Erkrankung im Haushalt vorliegt, eigentlich immer! Im Grunde kann das ständige Desinfizieren sogar mehr schaden als nutzen:

  • Allergien und Ekzeme: Die Inhaltsstoffe in Desinfektionsmitteln können die Haut stark reizen, sodass Rötungen, Ausschläge und Risse entstehen. Sogar Allergien können ausgelöst werden. Auch bei Neurodermitis sollte man komplett auf Desinfektion verzichten.
  • Belastung des Abwassers: Auch Umweltschutzgründe sprechen gegen die Verwendung von Desinfektionsmitteln. Wenn sie über die Abwässer in die Kläranlagen gelangen, können sie das Zusammenspiel von Bakterienstämmen stören oder sogar deren Reinigungswirkung zerstören.
  • Toleranzen gegen Wirkstoffe: Mikroorganismen können gegen die Wirkstoffe der Desinfektionsmittel resistent werden, auf diesem Weg könnte auch die Widerstandsfähigkeit gegen Antibiotika begünstigt werden.
  • Zerstörung des biologischen Gleichgewichts: Bestimmte Bakterien- und Pilzstämme gehören zum menschlichen Organismus. Diese können durch übermäßiges Desinfizieren zerstört werden.

Diese Maßnahmen machen Desinfektion überflüssig

  • Regelmäßiges und korrektes Händewaschen ist mit Abstand der beste Schutz gegen Keime und Krankheitserreger.
  • 150 verschiedene Bakterienarten befinden sich durchschnittlich auf der menschlichen Hand. Man sollte es also vermeiden, sich mit den Händen in das Gesicht zu fassen, da Krankheitserreger über die Schleimhäute leichtes Spiel haben.
  • Tägliches Lüften verringert die Zahl von Krankheitserregern in der Luft.

Richtiges Händewaschen

Wann?

  • Beim Nachhausekommen, nach dem Toilettenbesuch, nach dem Kontakt mit Kranken und Tieren, nach dem Niesen (wobei man sich im Idealfall in die Armbeuge und nicht in die Hand niesen sollte) sowie vor und während des Kochens


Wie?

  • Schmuck ablegen
  • Hände anfeuchten
  • Die Seife (am besten Flüssigseife) zwischen den Fingern, Fingerkuppen, Handflächen und Handrücken verteilen und 20-30 Sekunden lang einseifen
  • Mit einer Nagelbürste Nägel und Nagelfalz reinigen
  • Seife gut abspülen
  • Mit einem sauberen Handtuch (wöchentlich wechseln, bei 60°C waschen) gut abtrocknen, da nasse Haut Bakterien besser überträgt als trockene
  • Danach ggf. gut pflegen und eincremen, da Wasser und Seife die Schutzbarriere der Haut schädigen und Fette herausspülen können

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