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Psychologie Bitter enttäuscht? So bauen Sie wieder Vertrauen auf!

Werden wir vom Partner, von Familienmitgliedern oder Freunden belogen oder betrogen, stellt sich meist Enttäuschung ein und das Gefühl, dieser Person nie wieder vertrauen zu können. Ohne Vertrauen ist eine Beziehung jedoch nicht mehr viel wert. Ist einem die Person wichtig, stellt sich die Frage, wie sich das Vertrauen wieder aufbauen lässt. Familientherapeutin Birgit Salewski hat Tipps, wie das gelingen kann.

Stand: 18.08.2023

Sollte ich einer Person, die mein Vertrauen missbraucht hat, überhaupt wieder vertrauen?

Birgit Salewski: "Das hängt stark davon ab, um welche Person es sich handelt und was genau passiert ist. Handelt es sich um eine einmalige Schwindelei, die zwar inakzeptabel, aber nachvollziehbar ist? Oder hat mich jemand so fundamental gekränkt, getäuscht oder betrogen, dass ich nicht glaube, je wieder vertrauen zu können?
Letztlich mache ich immer wieder die Erfahrung, dass es gut ist, vor der Entscheidung, ob ich der Person wieder vertrauen kann, über zwei Punkte nachzudenken:

  • Hatte ich genug Zeit, mir Gedanken zu machen, wie ich mich zu den Vorkommnissen verhalten möchte? Konnte ich mich eventuell mit anderen Menschen beraten?
  • Bestehen realistische und für mich überzeugende Anhaltspunkte dafür, dass ich wieder das Vertrauen zu diesem Menschen aufbauen kann?

Außerdem gibt es Abstufungen von Vertrauen: Es kann sein, dass ich nicht mehr ganz und vollumfänglich vertrauen kann, aber vielleicht gelingt es in Teilen.
Ein Beispiel sind für mich getrennt lebende Eltern: Vielleicht ist die Partnerschaft nach einem Vertrauensbruch auseinandergegangen und einer der Partner hat entschieden, die Partnerschaft zu beenden, weil er oder sie keine Hoffnung hatte, dem Partner wieder zu vertrauen. Hier ist das partnerschaftliche Vertrauen zu Bruch gegangen. Und trotzdem kann ich gleichzeitig sehen und anerkennen, dass jemand als Elternteil dennoch vertrauenswürdig ist.
Diese Differenzierungen sind nicht leicht zu erkennen, vor allem nicht bei frischen Verletzungen oder Enttäuschungen."

Kann ich nach jeder noch so großen Enttäuschung, wieder Vertrauen gewinnen?

Birgit Salewski: "Meine Erfahrung ist, dass auf der einen Seite viel möglich ist und auf der anderen Seite viel zu Bruch gehen kann, was unwiederbringlich zerstört ist.
Es gibt Vertrauensbrüche, die sind so schwerwiegend und gewaltvoll, dass es sogar ein Akt des Selbstschutzes sein kann, dieser Person nicht wieder zu vertrauen.
Auf der anderen Seite erlebe ich aber auch Prozesse, in welchen Menschen wieder zueinanderfinden und beide Seiten ernsthaft daran arbeiten, das Vertrauen wieder aufzubauen und neue, gute und positive Erfahrungen zu ermöglichen."

Was kann ich tun, damit sich der Vertrauensmissbrauch einer Person nicht auf mein Vertrauen gegenüber anderen Personen auswirkt, ich also nicht allen gegenüber misstrauischer bin?

Birgit Salewski: "Hier geht es darum, erst einmal anzuerkennen, dass dies ein sehr natürlicher Schutzmechanismus ist, der unwillkürlich entsteht. Situationen, in welchen uns ein Leid zugefügt wurde, versuchen wir in Zukunft nicht mehr eintreten zu lassen und entwickeln natürlich Vorsicht und Zurückhaltung.
Trotzdem sollte ich mich bemühen, zwischen den Personen zu unterscheiden: Wenn beispielsweise mein Ex-Partner unehrlich war, heißt das nicht, dass alle Männer der Welt lügen. Gleiches gilt natürlich für Frauen. Hier müssen wir den schmalen Grat erwischen zwischen:

  • Ich gehe wieder vertrauensvolle Beziehungen ein und gewähre auch einen Vertrauensvorschuss, wenn mir jemand vertrauenswürdig erscheint.
  • Gleichzeitig bin ich weder naiv noch blauäugig und lerne die Anzeichen von Lug und Trug schneller zu deuten und dann auch adäquat zu handeln, wenn ich einen Vertrauensbruch befürchte, den ich nicht hinnehmen möchte.

Dabei muss man aufpassen, dass man nach einem Vertrauensbruch nicht zu überkritisch mit anderen Menschen wird. Wir alle sind nicht perfekt und brauchen auch manchmal die Nachsicht und Loyalität unserer Angehörigen und Freunde, auch wenn wir uns mal danebenbenommen haben. Hier ist es wichtig, großzügig zu bleiben und dennoch auf Wiedergutmachung zu bestehen, wenn wir verletzt wurden - und nicht gleich Beziehungen im Affekt abzubrechen."

Was kann ich tun, um wieder Vertrauen zu der Person aufzubauen, die mich enttäuscht hat?

Birgit Salewski: "Es geht darum, genau zu prüfen, ob die Person sich als wieder vertrauenswürdig in ihrem Verhalten erweist: Verhält sich jemand wieder stimmig zu dem, was er verspricht?
Und es ist wichtig zu prüfen, ob sich nach einer gewissen Zeit mein eigenes Empfinden von Vertrauensbruch gewandelt hat: Bin ich noch so verletzt und enttäuscht oder verändert sich im Laufe der Zeit auch meine Sichtweise auf das Geschehene? Und noch einen Schritt weiter: Habe ich vielleicht sogar etwas dazu beigetragen, dass die Situation so entstanden ist? Damit meine ich nicht, dass man die Schuld immer bei sich suchen soll, aber ich weiß aus meiner Erfahrung, dass es auch gewisse Dynamiken zwischen Menschen gibt, die zu Vertrauensbrüchen führen. Hier ist es dann nur fair, die Verantwortung auch auf alle Schultern zu verteilen, die einen Anteil am Entstehen der Situation hatten."

Wenn ich die Person bin, die jemanden enttäuscht hat, was kann ich tun, damit die andere Person mir wieder Vertrauen schenkt?

Birgit Salewski: "Als Erstes muss ich klar und unmissverständlich die Verantwortung für das eigene Verhalten übernehmen und auch so benennen. Das Zweite ist für den entstandenen Schaden oder Schmerz um Verzeihung zu bitten. Das Dritte ist Wiedergutmachung anzubieten und diese mit dem verletzten Menschen zu verhandeln.
Natürlich geht es bei jedem dieser Schritte darum, dies aufrichtig und ernst zu meinen. Fehlende Stimmigkeit aus Verhalten und Überzeugung wird sehr schnell entlarvt."

Kann das Vertrauen gegenüber einer bestimmten Person jemals wieder so groß sein, wie vor der Enttäuschung?

Birgit Salewski: "Meiner Erfahrung nach kann alles sein. Ich kenne auch Paare, die sagen, dass sie der Prozess nach einem Vertrauensbruch sogar noch mehr zusammengeschweißt hat."

Was kann ich tun, wenn ich mich selbst enttäuscht habe?  

Birgit Salewski: "In einem ersten Schritt ist es immer wichtig, gnädig und auch geduldig mit sich zu sein und die eigenen Fehler oder Enttäuschungen nicht zu schwer zu nehmen. Es ist immer gut, sich in mehreren Lebensbereichen zu positionieren und nicht alles auf eine Karte zu setzen: Soll mein Beruf allein mich glücklich machen? Das ist ein hohes Risiko! Hier wäre es schön, auch Familie, Freunde und Hobbys zu haben, die mich gegebenenfalls auch unterstützen und mir vermitteln: Du bist trotzdem ein guter und liebenswerter Mensch und wir mögen Dich!"

Was sind die Anzeichen dafür, dass die Enttäuschung zu groß war und sich das Vertrauen nicht mehr wiederherstellen lässt?

Birgit Salewski: "Bei wiederkehrenden und schweren Vertrauensbrüchen, Manipulationen und starken Abhängigkeiten rate ich zu großer Vorsicht und vor allem zu externer Unterstützung durch einen Berater. Es gibt Situationen, die sind verworren und man unterliegt starken Manipulationen. Hier ist es wichtig, sich erst mal wieder zu besinnen und selbst zu überlegen, wohin man das eigene Leben lenken möchte."

Viel Erfolg mit den Tipps wünschen Birgit Salewski und "Wir in Bayern"!


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