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Allgemeinmedizin Künstliches Koma – alle wichtigen Antworten

Von einem künstlichen Koma haben die meisten schon mal gehört. Doch was ist das genau? Welche Chancen und Risiken birgt es für Betroffene? Was bekommen Patienten mit, die ins künstliche Koma versetzt wurden? Und wie können Angehörige Koma-Patienten unterstützen? Allgemeinarzt Dr. Klaus Tiedemann hat die Antworten.

Stand: 21.10.2022 07:10 Uhr

Eingang zu einer Intensivstation | Bild: BR/Julia Müller

In lebensbedrohlichen Situationen, vor allem nach einem schweren Unfall, einer schwierigen Operation oder einem Herzinfarkt, werden Patienten häufig in ein künstliches Koma versetzt, um den Organismus zu entlasten und den Heilungsprozess zu beschleunigen. Beim künstlichen Koma handelt es sich um eine Art Vollnarkose über einen längeren Zeitraum. Die Betroffenen bekommen in dieser Zeit starke Schlaf- und Schmerzmittel verabreicht und werden engmaschig auf der Intensivstation überwacht.

Was passiert beim künstlichen Koma im Körper?

Durch die Medikamente verlangsamt sich der Stoffwechsel, das Gehirn benötigt weniger Sauerstoff und der Blutdruck sowie die Körpertemperatur sinken. Die meisten Organe (beispielsweise Herz, Leber, Darm und Nieren) arbeiten selbstständig weiter.
Allerdings müssen die Patienten über eine Magensonde künstlich ernährt und beatmet und werden.
Die Patienten haben keine Schmerzen.

Wie lange dauert ein künstliches Koma?

Die Patienten werden so kurz wie möglich in ein künstliches Koma versetzt, da mit der Dauer die Risiken für Komplikationen zunehmen. In der Regel werden die Patienten nur ein paar Tage in ein künstliches Koma versetzt. Nach schweren Hirnverletzungen kann es nötig sein, das künstliche Koma länger aufrechtzuerhalten, um die Gehirnzellen zu entlasten.

Welche Komplikationen kann es beim künstlichen Koma geben?

Je länger das künstliche Koma aufrechterhalten werden muss, desto größer ist das Risiko für folgende Komplikationen:

  • Lungenentzündung durch die künstliche Beatmung
  • Thrombose durch das Liegen
  • längere Aufwachphase
  • Wachkoma

Sonderfall Wachkoma

Einige Patienten kommen auch nach dem Absetzen der Narkosemedikamente nicht mehr vollständig zu Bewusstsein, da das Großhirn nicht mehr funktioniert. Die Patienten atmen zwar selbständig und haben die Augen geöffnet, sie reagieren aber nicht auf ihre Umwelt. Das Wachkoma kann mehrere Monate, manchmal auch für immer andauern. Auch in dieser Phase ist die Zuwendung der Angehörigen enorm wichtig.

Welche Symptome sind nach dem Aufwachen möglich?

Sobald es der Zustand des Patienten zulässt, werden die Medikamente Schritt für Schritt reduziert und schließlich ganz weggelassen. Erst wenn die Medikamente im Körper abgebaut sind, setzt die selbständige Atmung wieder ein und der Patient erlangt, wenn alles gut geht, wieder das Bewusstsein.
Nach dem Aufwachen kann es zu Kreislaufproblemen und starkem Schwitzen kommen. Zudem sind viele Patienten verwirrt, halluzinieren oder sind aggressiv. Man spricht hier vom sogenannten Delir. Das Delir kommt häufig bei Patienten mit Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch vor. Es kann aber auch unabhängig davon auftreten.

Wie können Angehörige Patienten im künstlichen Koma unterstützen?

Was Patienten während der Sedierung wahrnehmen, lässt sich nicht eindeutig sagen. Einige Betroffene berichten, dass sie sich nach dem Aufwachen an Dinge oder Situationen erinnern konnten, die während ihres künstlichen Komas passiert sind oder gesprochen wurden.
Man kann also davon ausgehen, dass die Patienten Ansprache, Berührungen, Musik und Ähnliches wahrnehmen, auch wenn sie darauf keine Reaktion zeigen.
Deshalb ist es wichtig, dass Angehörige die Patienten regelmäßig besuchen, mit ihnen sprechen, sie streicheln und eventuell ihre Lieblingsmusik vorspielen. Das hilft auch den Angehörigen, da diese dann nicht das Gefühl haben, nichts tun zu können.

Bleiben Sie gesund wünschen Dr. Klaus Tiedemann und "Wir in Bayern"!


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