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Farbkorrektur und Restauration von alten Filmen "Ein großer Gewinn und eine Würdigung für Senta Berger"

Alte Filme kommen oft als flaue, flache Bilder daher. Doch wenn sie wieder gesendet werden, erstrahlen sie in neuem Glanz. So wie "Rosenkavaliere" - Folge sieben der Serie "Dr. Schwarz und Dr. Martin" von 1994 mit Senta Berger. Bildtechnikerin und Coloristin Gilda Pasler hat die Farbkorrektur für diese Episode übernommen. Im Interview erzählt sie, wie viel Arbeit hinter der Restauration von alten Filmen genau steckt.

Von: Monika Hippold

Stand: 11.05.2021

Frau Pasler, für alle, die es nicht wissen: Was genau ist eine Farbkorrektur?  

Gilda Pasler: Kamerateams drehen bei schönem Wetter, bei schlechtem Wetter, bei Morgenlicht, am Tag, nachts, abends. Diese verschiedenen Sequenzen werden unter Umständen in einem Film direkt hintereinander geschnitten. Und da will man einen farblich durchgehenden Eindruck erwecken, damit die Sequenzen gut ineinander übergehen.

Das heißt, ich drehe eventuell ein bisschen am schlechten Wetter, so als würde die Sonne scheinen. Oder ziehe bei Sonnenwetter etwas Blau aus dem Himmel raus, wenn das Wetter schlechter aussehen soll. Manchmal haben Kameras auch einen Grünstich, den entfernen wir. Und: Wir können Stimmungen erzeugen. Wenn ich bei einem Bild den oberen Bereich verdunkle, schaffe ich ein bedrückendes Gefühl.

Bildtechnikerin und Coloristin Gilda Pasler an ihrem Arbeitsplatz

Wenn mehrere Personen aufgenommen wurden und eine Person soll besonders hervorstechen, kann ich diese hervorheben: Ich mache diese Person heller und die anderen etwas dunkler. Dann wird der Blick gleich auf diese Person gelenkt. Man muss das aber alles sehr subtil machen und dafür viel Erfahrung haben.

Eine richtige Kunst. Bei tagesaktuellen Filmen ist dafür bestimmt nicht immer Zeit. Bei welchen Beiträgen gibt es eine Farbkorrektur im BR?

Wir machen das zum Beispiel bei den "Lebenslinien", bei "Unter unserem Himmel", bei "Bergauf, Bergab". Eigentlich kommen alle längeren 45-Minuten-Sendungen zu uns.

Wie unterscheidet sich die Farbkorrektur von aktuellen Sendungen zur Korrektur von alten Filmen?

Das ist ganz anders. Bei alten Filmen hat man ein Referenzbild von der damaligen Farbkorrektur. Das heißt, ich muss bei meiner Korrektur schauen, dass ich das möglichst so hinbekomme, wie es früher mal von Kamera und Regie gedacht war. Da kann ich mich selber nicht so verwirklichen und Stimmungen erzeugen.

Insgesamt haben wir für die Restauration inklusive Farbkorrektur bei einem 90-Minüter fünf Tage Zeit.

Was genau machen Sie bei der Restauration?

Das alte Filmmaterial wird von Studio Hamburg digitalisiert und in bestmöglicher Qualität zum BR transferiert. Wir erstellen aus diesem Ausgangsfile in Ultra High Definition (UHD)-Qualität, in dem noch Klebestellen und Perforationslöcher zu sehen sind, ein richtig kadriertes HD Bild.

Senta Berger: HD-Bild mit Filmkorn vor der Farbkorrektur

Dann laufen Programme über die Bilder - als erstes ein sogenannter "Sharpener", der die Bilder schärft. Danach ein "Kornreduzierer". Alte Filme sind ja auf Film gedreht - und Film beinhaltet Filmkorn. Damit dieses Filmkorn weggerechnet wird, kommt ein sogenannter "Clarity" drauf. Der analysiert das Bild: Wo muss ich am meisten Korn reduzieren? Mehr im Blaukanal, im Schwarz-, Rot- oder Weißkanal?

Im Anschluss noch "dust and fix", das ist ein automatischer Schmutz-Rausrechner. Dann rechnet es erstmal und das dauert mindestens eine Nacht.

Das klingt so, als sei damit schon recht viel Arbeit getan. Was passiert dann bei der eigentlichen Farbkorrektur?

Wir müssen jede Sequenz einzeln begutachten. Beispielsweise gibt es Nachtaufnahmen, bei denen das Filmkorn wesentlich höher ist, weil der Film lichtempfindlicher war. Dieses Korn ist teilweise immer noch stark zu sehen, obwohl wir den Korn-Reduzierer schon draufgerechnet haben. Dafür haben wir noch ein anderes Tool, das die Körner komplett entfernt.

Filmkorn entfernt: HD-Bild von Senta Berger nach der Farbkorrektur

Das frisst aber auch viel Bildinformationen. Man muss also aufpassen, dass man keine flächigen Gesichter bekommt und man muss feinfühlig per Hand nachkorrigieren. Senta Berger soll zum Beispiel hinterher nicht so aussehen, als hätte sie gar keine Falten mehr. Das würde passieren, wenn man das Bild zu sehr bearbeitet.

Und: Auf dem Film können Schrammen sein, also eine Linie von oben nach unten. Das passiert, wenn irgendwann mal der Film an einem Staubkorn oder ähnlichem entlanggeschrammt ist. Die können wir noch "rausoperieren".

Machen Sie die Bearbeitungen für ein ganzes Bild, eine Filmsequenz oder nur für bestimmte Bereiche in einem Bild?

Pro Sequenz. Das ist sehr aufwendig. Wir müssen das zwar nicht bei jedem Schnitt machen. Aber bei der siebten Folge von "Dr. Schwarz und Dr. Martin" habe ich zum Beispiel sehr viele Stellen extra bearbeitet.

Außerdem gibt es noch springende Klebestellen. Die hatte ich zum Beispiel bei einem alten Tatort. Denn manche Tatorte wurden auf 16 Millimeter-Film gedreht, statt wie "Dr. Schwarz und Dr. Martin" auf 35-Millimeter. Bei Material, das auf 16-Milimeter-Film gedreht wurde, sind die Klebestellen in der Regel sichtbarer. Mit einem speziellen Programm versucht man, diese Bilder zu stabilisieren. Manchmal funktioniert das ganz gut, manchmal nicht. Man muss sich jede Klebestelle einzeln angucken.

Was war beim Material von "Dr. Schwarz und Dr. Martin" die größte Herausforderung?

Schmutz auf einem HD-Bild

Bei den Senta Berger-Filmen ist es hauptsächlich der Umgang mit dem Korn bei dunklen Sequenzen. Weil ich da wirklich schauen muss, wie viel Korn ich wegnehmen kann, oder wann das Bild oder das Gesicht unscharf wird. Und beim Schmutz wegoperieren ist es nicht so, dass das Gerät allen Schmutz sieht. Ich schaue wirklich bei jedem Bild, ist noch Schmutz drauf? Diesen entferne ich wieder mit einem extra Tool.  

Ist es ein schönes Erfolgserlebnis, wenn Sie fertig sind und den Film vorher-nachher vor Augen haben?

Total. Gerade auch bei diesem Projekt. Ich habe zu meinen Kollegen gesagt, diese siebte Folge ist das Schönste, was ich je an 90 Minuten abgegeben habe. Da bin ich gerade ganz happy.

Ist die Arbeit ein Mittelding zwischen Kunst und Handwerk?

Genauso ist es. Man muss das Handwerk gut können und deswegen ist es auch viel Erfahrungssache. Die Kunst ist, dass alles aussieht wie aus einem Guss - ohne dass es künstlich wirkt.

Wäre die Serie "Dr. Schwarz und Dr. Martin" auch sendefähig gewesen ohne die Farbkorrektur?

Natürlich ist die alte SD-Version sendefähig. Die Produktion ist aber aus den 90er Jahren. Die Sehgewohnheiten der Zuschauer haben sich verändert und sie erwarten heute ein qualitativ hochwertigeres HD-Bild. Es ist schon ein großer Gewinn, dass wir sie bearbeitet haben - und eine Würdigung für Senta Berger.

Welche alten Filme haben Sie sonst schon bearbeitet?

Ich habe zwei Tatort-Folgen korrigiert und restauriert. Und da sollte man möglichst nah am Original bleiben.

Gilda Pasler bei der Farbkorrektur

Was ich persönlich lustig fände: Ich habe früher Tatorte korrigiert, die auf Film gedreht wurden. Und wenn ich jetzt die Restauration von meinen Uralt-Tatorten machen würde, da kann ich mich bestimmt noch an so manches erinnern, was mit Regie und Kamera damals besprochen wurde.