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Friedrich Vogel-Preis für Redaktion Wirtschaft und Soziales Doku über Geldtransport der D-Mark gewinnt

"Wie die D-Mark in den Osten kam. Der größte Geldtransport der deutschen Geschichte." Für ihre TV-Doku erhalten Martina Schuster und Johannes Thürmer den Friedrich Vogel-Preis 2021. Die Redaktion Wirtschaft und Soziales hatte den teils wie ein Road-Movie angelegten Film mit dem MDR für ARD Geschichte im Ersten produziert. Zum Projekt gehörten auch Magazinstücke für Plusminus, mehr/wert, eine Bayern 2-Radioreportage und ein umfangreiches Multimedia-Dossier.

Von: Astrid Freyeisen, Redaktionsleiterin Wirtschaft und Soziales

Stand: 19.10.2021

Die Währungsunion ist Thema im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig | Bild: BR / Astrid Freyeisen

Die Doku beginnt mit einem etwas verrückten Kapitel der abenteuerlichen Geschichte von der Währungsunion: Digital animiert rattert ein Zug voll ausrangierter DDR-Banknoten in einen Stollen bei Halberstadt, wo die Scheine 1990 vernichtet werden sollten – was nicht klappte.

In diesem Stollen bei Halberstadt sollte das DDR-Geld verrotten. Doch der Plan ging schief.

Säcke rissen auf, Geld flog durch die Luft, Jahre später brachen Jugendliche in den Stollen ein und boten das DDR-Geld auf Ebay an. "Wir haben sehr oft richtig gestaunt, was da alles rauskam", erzählen Martina Schuster und Johannes Thürmer über Recherche und Dreharbeiten. Genauso ging es Kameramann Dieter Nothhaft sowie Dieter Lehner, Carl-Hermann Diekmann und Astrid Freyeisen, die das Projekt redaktionell beim BR betreuten. Vermittelt von der Redaktion Geschichte und Gesellschaft entstand die Koproduktion mit Ulrich Brochhagen vom MDR, Koordinator der Geschichtsredaktionen in der ARD. Die Gestaltung des Online-Dossiers stammt von Martin Moser.

Geldtransporter zu schwer für Brücken in der DDR

Franz Josef Benedikt demonstriert den Schließmechanismus am historischen Tresor, von wo 1990 die Milliarden in die DDR gebracht wurden.

Es begann mit einem Hintergrundgespräch voller Überraschungen: 2018 berichtete der Präsident der Bundesbank in Bayern, Franz Josef Benedikt, der Redaktion Wirtschaft und Soziales über seine Arbeit. Der spannendste Abschnitt seiner Karriere? Als Helmut Kohl 1990 abrupt die Währungsunion verkündete.

Hier mussten sie ein uraltes Bankgebäude in wenigen Wochen modernisieren, bevor die D-Mark kam.

Banker wie Franz Josef Benedikt mussten den Willen des Kanzlers in nur fünf Monaten umsetzen. Mission impossible? 28 Milliarden D-Mark in Scheinen und Münzen mussten hergestellt und in die DDR geschafft werden. Für Giesecke und Devrient in München ein Riesen-Auftrag. Und die Bundesdruckerei stellte 700 neue Leute ein. Franz Josef Benedikt als junger Mitorganisator erfuhr, dass die milliardenschweren Laster auf DDR-Gebiet von Volkspolizisten gesichert werden sollten.

Ein mulmiges Gefühl, zumal die Beamten des anderen deutschen Staates mit Kalaschnikow auftraten: "Die Grenzpolizisten waren erstaunt, als sie hörten, dass unsere Transporter, wenn sie voll beladen sind, 40 Tonnen wiegen würden. Und ein Kommandant der DDR-Volkspolizei sagte: Er müsste dann in Dresden auf jeden Fall ein bisschen die Route umorganisieren, denn manche Brücken können wir mit 40 Tonnen nicht überqueren."

Hubschrauber begleiteten die Konvois. Und nicht nur die: Auch ein BR-Filmteam, wie Martina Schuster und Johannes Thürmer im Archiv entdeckten. Die Geldtransporte waren streng geheim – gestohlen wurde nichts. "Es ging alles viel zu schnell für die Mafia", urteilte der bekannte Kriminologe Christian Pfeiffer im Film.

Peter Kolzarek am alten Tresor in der ehemaligen Zentralbank in Cottbus. Die Bundesbanker waren 1990 entsetzt, dass der Tresor ein Fenster hatte.

Trotz Geheimhaltung sprach sich in der DDR aber herum, dass die lang ersehnte D-Mark im Anrollen war. Das historische Filmmaterial zeigt, wie Menschen winken und sich an den Toren der Banken drängen. Die hatten teils nicht einmal Telefon. Und winzige Tresore, die mit uralten Systemen gesichert waren.

DDR-Banker schleppten eigenhändig Geldsäcke 

Peter Kolzarek schleppte 1990 Geldsäcke in den Tresor der DDR-Zentralbank in Cottbus. Das Türschild hat er sich damals als Andenken gesichert.

Im Film erzählen auch ehemalige DDR-Banker. In Cottbus schleppten sie die Geldsäcke per Menschenkette in den Tresor, weil diese zu schwer für den Fahrstuhl waren. Die ausrangierte DDR-Mark mussten die Banker selbst entsorgen. Marion Hanisch brachte sie in Kartoffelsäcken in ihrem Kleinwagen in den Rathaushof nach Potsdam: "Wir wollten unsere Millionen abgeben. Dann hieß es: ist uns egal, wieviel. Gebt eure Säcke her und schmeißt sie darauf. Und schwuppdiwupp war das Geld weg. Dann hieß es: Alles gut, das haben wir aufgeschrieben, vermerkt. Und tschüss. Der nächste!"

Marion Hanisch erlebte den Ansturm und die Vorfreude der DDR-Bürger auf das neue Geld hautnah mit. Aber auch die Angst vor Verarmung, weil der Wechselkurs das schmale Einkommen auffressen könnte. Es herrschte Wildwest-Stimmung. Die D-Mark kam, aber leider nicht das erhoffte Waren- und Wohlstandswunder. Zuerst trafen viel zu wenige der begehrten Westprodukte in den Läden ein. Und was es dann nach und nach zu kaufen gab, war teuer: Fünf Mark für eine Maggi-Suppenterrine. "Wir wollten diesen Duft des Westens, den wir aus dem Intershop kannten", erinnern sich DDR-Bürger in der Doku. Für viele wich die Begeisterung spätestens mit der Abwicklung der DDR-Wirtschaft und dem Verlust ihrer Jobs.

Der Duft des Westens – Bilanz nach 30 Jahren

DDR-Geld

Politisch war die Währungsunion eine gewagte Sache. Kohl trieb sie überstürzt voran, um den massenhaften Ansturm von DDR-Bürgern zu stoppen. Damit überraschte er nicht nur Gorbatschow, sondern auch seine Verhandlungspartner in der DDR. Wilfried Maier war 1990 stellvertretender Minister im DDR-Amt für Preisgestaltung. Sein Fazit: "Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion hätte man komplett machen müssen. Und gemacht worden ist nur die Währungsunion. Von heute auf morgen. Das hätte mit mehr Gleichberechtigung laufen müssen."

Professor Helmut Schlesinger war 1990 Vizepräsident der Bundesbank. Sein Chef Karl-Otto Pöhl wurde von Kohls Ankündigung überrumpelt und kritisierte das abrupte Vorgehen scharf. Auch Schlesinger war damals skeptisch, ob die Hauruck-Aktion zu machen sei. In der Doku zog er mit 95 Jahren Bilanz: "Es war wichtig, dass es so schnell ging. Es war das Fenster, das hier geöffnet war für diese Entwicklung, das war nicht weit offen. Und die Gefahr, dass es zuklappt, dass zum Beispiel Gorbatschow abgesetzt wird, diese Gefahr war ganz groß."

Friedrich Vogel-Preis für BR-Duo Schuster und Thürmer

BR-Team v.l.n.r: Johannes Thürmer, Astrid Freyeisen, Maria Anna Weidler, Dieter Nothhaft, Martina Schuster

Die Doku "Wie die D-Mark in den Osten kam. Der größte Geldtransport der deutschen Geschichte" gewann den Friedrich Vogel-Preis 2021 in der Kategorie TV.

Der Preis wird von der Friedrich und Isabel Vogel-Stiftung in Essen verliehen. Überreicht wird er wegen Corona erst 2022.

Zur Stiftung heißt es auf deren Website:

"Die Friedrich und Isabel Vogel-Stiftung fördert Weiterentwicklungen des anspruchsvollen Genres Wirtschaftsjournalismus. Dabei vergibt sie vor allem Preise für journalistische Arbeiten, die Sachverhalte für die immer eiliger und bequemer werdenden Mediennutzer verständlich aufbereiten, spannende Stoffe spannend anbieten und den Unterhaltungswert nicht gering achten. Dr. Friedrich Vogel (1902 bis 1976) war der Begründer des Handelsblatts und engagierter Wirtschaftsjournalist der ersten Stunde. Leitfigur und -bild Friedrich Vogels waren Ludwig Erhard und dessen Modell der sozialen Marktwirtschaft."

  


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