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Das Ausländerprogramm Sendungen für Gastarbeiter

Der millionste Gastarbeiter, ein 38-jähriger Zimmermann, wurde am 10. September 1964 in Deutschland begrüßt. Im gleichen Jahr eröffnete der Bayerische Rundfunk mit dem „Gastarbeiterprogramm“ ein drittes Hörfunkprogramm mit Sendungen in drei Sprachen.

Von: Historisches Archiv, Sabine Rittner

Stand: 13.09.2023

Mitarbeiter*innen der Ausländerabteilung des Bayerischen Rundfunks im November 1965;
v.l.n.r. stehend: Pavlos Bakojannis, Gualtiero Guidi, Sandra Diedrich, Assimakis Hatzinikolaou, Manuel Moral; sitzend: Rena Kapojanni, Charo Navascués | Bild: BR, Historisches Archiv

Am 1. November 1964 war mit dem „Wunschkonzert“ für Spanier die erste so genannte Gastarbeitersendung zu hören. Es folgte eine Sendung für die Griechen, danach Nachrichten und Sport in türkischer und italienischer Sprache. Bereits seit den 1950er Jahren wurden Arbeitnehmer aus Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei nach Deutschland angeworben. Oft sprachen sie nicht oder sehr schlecht Deutsch und hatten somit kaum Zugang zu Informationen oder Unterhaltung. Ziel der Rundfunkanstalten war es, ein Programm in der jeweiligen Muttersprache anzubieten. Gesendet wurden Nachrichten, Hörspiele, Sportberichte, Reportagen und Musik aus der Heimat.

Sendungen für die Landsleute

WDR und BR produzierten für die ARD das Hörfunkprogramm in drei Sprachen. Der Bayerische Rundfunk war dabei redaktionell verantwortlich für die Sendungen in italienischer, spanischer und griechischer Sprache, der WDR war für Türkisch und Jugoslawisch zuständig.

Die Journalistinnen und Journalisten, die für ihre Landsleute die Sendungen gestalteten, wollten nicht nur unterhalten und informieren, sie berichteten teilweise sehr kritisch über die politische Situation in den jeweiligen Heimatländern.

Die Redakteure des italienischen Ausländerprogramms: Mario Cerza (links) und Gualtiero Guidi, 1968 | Bild: BR, Historisches Archiv

Spanien stand unter der Diktatur Francos, in Griechenland war bis 1974 das nationalistische Regime der Obristen an der Macht. In Kommentaren und Reportagen wurden die Zustände in den Heimatländern thematisiert und auch verurteilt.

Der Fall Bakojannis

In einen schwerwiegenden Konflikt geriet der Bayerische Rundfunk nach dem Militärputsch von 1967 in Griechenland.

Pavlos Bakojannis verließ 1974 den Bayerischen Rundfunk und arbeitete nach dem Ende des Obristenregimes als stellvertretender Intendant des griechischen Fernsehens. 1989 wurde Bakojannis, inzwischen Parlamentsabgeordneter seines Heimatortes Evrytania, von Terroristen der Untergrundorganisation 17. November erschossen.

Pavlos Bakojannis, Sängerin Anna Kiriakon, Sendeleiter Gerhard Bogner (von links), 1967 | Bild: BR, Historisches Archiv

Zur Zielscheibe der Angriffe wurden die Sendungen der griechischen Redaktion, denen die systematische kommunistische Beeinflussung der Hörer*innen vorgeworfen wurde.

Besonders Pavios Bakojannis, von 1967 bis 1974 Leiter der Redaktion, fiel in Ungnade beim Regime. Seine Berichte und Kommentare wurden als feindselige Haltung gegenüber Griechenland bewertet und Bakojannis sah sich mit Morddrohungen konfrontiert.

Über ihren Generalkonsul protestierte die griechische Regierung beim Bayerischen Rundfunk und forderte eine Entlassung Bakojannis. Ebenso gingen Beschwerden bei der Bayerischen Regierung ein, in denen man Änderungen in der Berichterstattung forderte.

Der Versuch der Einflussnahme

Ähnlich war es in der spanischen Redaktion mit ihrem Leiter Manuel Moral. Auch er hatte sich in Kommentaren kritisch zur Franco-Regierung in Spanien geäußert. Auch das dortige Regime forderte Konsequenzen für die Sendungen aus München.

Spanische Redaktion des Ausländerprogramms: Manuel Moral und José Moll im Sendestudio, 1960er | Bild: BR, Stuckert

Sowohl der damalige Intendant Christian Wallenreiter, Hörfunkdirektor Walter von Cube wie auch Sendeleiter Gerhard Bogner verwahrten sich immer wieder gegen den Versuch der Einflussnahme sowohl durch deutsche Politiker als auch durch Vertreter der Regierungen von Spanien und Griechenland.

Erst 1972, im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in München, wurden die politischen Kommentare der Ausländerredaktion vorübergehend eingestellt. Der Bayerische Rundfunk begründete die Entscheidung mit der Rücksichtnahme auf griechische, spanische und italienische Sportler.

Das Ende des Ausländerprogramms

Plakat zu fünf Jahre Ausländerprogramm, 1969 | Bild: BR, Historisches Archiv

Dieser besondere Service der fremdsprachigen Sendungen, der viel zur Integration der Gastarbeiter beigetragen hat, wurde im Jahr 2002 eingestellt.

Durch die Satellitentechnik konnten viele der hier arbeitenden Arbeitnehmer und ihre Familien Hörfunk- und Fernsehprogramme aus ihrer Heimat empfangen, so dass das Interesse an den ARD-Ausländerprogrammen stark nachgelassen hatte.


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