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Para-Bogenschützin Vanessa Bui "Ich will zeigen, dass ich die bessere bin"

Nur einen Startplatz gibt es für die deutschen Para-Schützinnen in der Compoundklasse in Rio. Vanessa Bui galt dafür als Favoritin. Doch der deutsche Verband nominierte eine andere. Im Interview erzählt die 23-Jährige, warum sie dennoch der Ehrgeiz gepackt hat.

Stand: 22.08.2016

Vanessa Bui | Bild: BR/ Max Hofstetter

Frau Bui, Sie sind die derzeit beste deutsche Para-Schützin mit Compoundbogen. Es muss frustrierend sein, nicht in Rio starten zu dürfen.

Vanessa Bui: Vor allem ärgere ich mich. Ich kann die Entscheidung des Verbands nicht nachvollziehen. Ich habe diese Saison so gut geschossen. In allen Wettkämpfen habe ich bessere Ergebnisse erzielt als Lucia Kupczyk, die jetzt in Rio starten wird. Nur einmal war ich ihr unterlegen.  

Mit welcher Begründung hat der Verband Sie dann abgelehnt?

Für eine Nominierung gibt es das Kriterium, dass man eine bestimmte Ringzahl geschossen haben muss. Das haben wir beide geschafft. Also musste der Bundestrainer zwischen uns auswählen. Er entschied sich gegen mich mit der Begründung: Unter Druck würde ich Konzentration und Durchsetzungsfähigkeit vermissen lassen.

Übersetzt heißt das, Sie seien zu jung, zu unerfahren?

So ungefähr. Es gab einen Wettkampf, bei dem ich schlechter abschnitt als Lucia Kupczyk. Das war in einem Turnier, in dem es darum ging, einen Startplatz für Deutschland bei den Paralympischen Spielen zu sichern. Seitdem habe ich mich aber extrem gesteigert und liege mit Platz 16 sogar vor Lucia Kupczyk auf der Weltrangliste.

Es ist nur ein schwacher Trost: Aber Lucia Kupczyk ist 53 Jahre alt, Sie dagegen erst 23. Sie haben Ihre Karriere noch vor sich.

Klar, so könnte man argumentieren. Aber was man nicht vergessen darf: Erst Anfang August habe ich erfahren, dass ich nicht starten werde. Ich habe für die Paralympics sehr viel trainiert und mein Studium dadurch vernachlässigt. Das muss ich jetzt alles nachholen. Ob ich das unter diesen Umständen beim nächsten Mal wieder so machen würde, weiß ich nicht. Man muss immer abwägen und sich fragen: Lohnt es sich, so viel Zeit ins Training zu investieren, wenn man am Ende nicht nominiert wird.

Wie kamen Sie zum Bogenschießen?

Ich war 14 Jahre alt und wollte mehr Sport treiben. Weil ich schon von Geburt an eine Spastik habe, kann ich nicht so gut laufen. Es ist ein bisschen wie humpeln, mein rechtes Bein ziehe ich hinter mir her. Deshalb musste es ein Sport sein, ohne viel laufen. Außerdem wollte ich nicht, dass andere wegen meiner Behinderung auf mich Rücksicht nehmen müssen. Da war Bogenschießen perfekt.  

Was ist der Reiz daran?

Beim Bogenschießen muss man sehr genau sein. Dieses Streben nach Perfektion finde ich reizvoll. Es ist ein sehr ruhiger Sport. Man muss sich extrem konzentrieren. Das Schwierigste dabei ist, dass man den Bewegungsablauf immer gleich macht. Außerdem ist es eine Einzelsportart und es gibt keine Ausreden. Man hat den Pfeil in der Hand – ganz allein. Und dann kommt etwas dabei heraus, oder eben nicht. Das gefällt mir am Bogenschießen.

Wie wurde daraus Leistungssport?

Anfangs war ich nicht so zielstrebig wie jetzt. Aber als ich gemerkt habe, dass ich gar nicht so schlecht bin, hat mich der Ehrgeiz gepackt. Dann kamen erst deutsche Meisterschaften und irgendwann die Anfrage, ob ich im Nationalteam mitmachen möchte. Da hab ich natürlich ja gesagt. Wir sind zum Beispiel zwei Mal Team-Europameister geworden. Das ist ein tolles Gefühl. Umso ärgerlicher, dass ich nicht in Rio starten kann.

Wie geht es denn jetzt sportlich weiter für Sie?

Diese Saison schieße ich auf jeden Fall noch zu Ende. Ich will zeigen, dass ich die bessere von uns beiden bin. Mit dem Bogenschießen werde ich auch definitiv weitermachen. Aber ob ich im Nationalteam bleiben möchte, das weiß ich noch nicht.  

Kurzbiografie

Geboren: 3.11.1992 in München
Disziplin:
Bogenschießen, Compoundbogen
Behinderung: Spastische Diplegie
Größte Erfolge: Team-Europameister 2015 und 2016

Vanessa Bui, Jahrgang 1992, hat seit Geburt eine spastische Diplegie im rechten Bein. Seit sie 14 ist, trainiert sie in Fürstenfeldbruck. Erst kürzlich hat sie neuen Rekord bei den Deutschen Behindertenmeisterschaften geschossen. Sie galt als Favoritin für den Startplatz in der Compoundklasse in Rio. Doch der Verband nominierte ihre Teamkollegin Lucia Kupczyk.


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