Sport - Basketball


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Basketball in München Das Entweder-oder-Prinzip

Wer die Geschichte des Münchner Basketballs betrachtet, dem stechen die Extreme ins Auge. Neben sportlich sehr erfolgreichen Phasen gab es auch eine lange Ära, in der der Stellenwert der Sportart fast auf den Nullpunkt sank.

Von: Wolfram Porr

Stand: 27.04.2017 | Archiv

Bryce Taylor vom FC Bayern München | Bild: dpa-Bildfunk

Wo der FC Bayern ist, da ist Erfolg. Dieses Credo hat der mitgliederstärkste deutsche Sportverein wie kein zweiter verinnerlicht. Als sich der deutsche Fußball-Rekordmeister 2009 dazu entschloss, nach dem Vorbild von Klubs wie Real Madrid oder FC Barcelona künftig auch auf die Sportart Basketball zu setzen und dafür auch richtig Geld in die Hand zu nehmen, war klar: Dieses "Projekt" muss und wird erfolgreich sein. Am 18. Juni 2014 konnte der FC Bayern Vollzug melden: Durch ein 3:1 in der Finalserie gegen ALBA Berlin war die erste deutsche Meisterschaft seit 1955 perfekt.

Nur ein Klotz am Bein

Das aktuelle Bayern-Präsidium mit Vizepräsident Bernd Rauch (ganz rechts)

Dabei schien es jahrzehntelang so, als sei die Basketballabteilung des FC Bayern nur ein lästiger Klotz am Bein des Hauptvereins. Je nachdem, wer im Klub gerade das Sagen hatte, wurde die Abteilung gepusht oder bewusst klein gehalten. Im einen Jahr hieß es, man wolle die Korbjäger so gut es geht fördern, im nächsten Jahr wurde plötzlich die ganze Abteilung in Frage gestellt. Zweimal (1996/97 und 2000/2001) verweigerte der Hauptverein aus Kostengründen sogar den Aufstieg der Mannschaft in die nächsthöhere Liga.

"100 Punkte - 100 Mark in die Mannschaftskasse"

Galt als großer Förderer des Basketballsports: Ex-Präsident Willi O. Hoffmann

Jürgen Schröder, zwischen 1966 und 1970 Aufbauspieler und einer der "Pokalhelden" von 1968 erinnert sich: "Präsident Willi Hoffmann (1979 bis 1984, d. Red.) hat den Basketball sehr gefördert. Da hieß es bei Heimspielen schon mal: 100 Punkte - 100 Mark in die Mannschaftskasse". Erfolge waren gern gesehen, Aufstiege noch kein Tabu. Doch das änderte sich schlagartig unter Präsident Fritz Scherer (1985 bis 1994). Aus dessen Amtszeit als Präsident ist folgender Satz überliefert: "Neben der Fußballabteilung gibt es keinen Profisport beim FC Bayern." Und das blieb auch unter Franz Beckenbauer so.

Jürgen Schröder über ...

Markus Bernhard

"Markus Bernhard war ein Ballgenie mit großartigem Ball- und Spielverständnis. Ich habe ihn nicht mehr oft spielen sehen, aber er war Basketball- und Handballnationalspieler und der beste Spieler der Meistermannschaften von 1954 und 1955."
(Markus Bernhard, der 2002 verstorben ist, wurde insgesamt viermal Deutscher Basketballmeister: 1947 und 1949 mit dem MTSV Schwabing, später mit dem FC Bayern München. Der Basketball- und Handball-Nationalspieler gewann außerdem mit Deutschland zweimal die Feldhandball-Weltmeisterschaft und wurde 1954 Hallenhandball-Vizeweltmeister)

Dr. Klaus Schulz

"Klaus Schulz war Nationalspieler und vor allem ein unwiderstehlicher Angreifer. Mit seinen 100 Kilo Kampfgewicht war er trotzdem so schnell im Antritt, dass man nicht mitkam."
(Dr. Klaus Schulz spielte mehr als 70 Mal für Deutschland und war der erste deutsche Basketballer, der im Ausland spielte. Nach seinem Engagement beim spanischen Klub Estudiantes Madrid kehrte er nach Deutschland zurück und wurde mit dem FC bayern 1968 Deutscher Pokalsieger)

Cedric Robinson

"Cedric Robinson gehörte Ende der 80-er Jahre gemeinsam mit seinem Landsmann George Devone zur Bundesligamannschaft des FC Bayern. Er war ein Sprungwunder unter dem Korb mit viel Basketballverständnis."
(Robinson galt in seiner Bundesligazeit als einer der besten US-Amerikaner der Liga)

Steffen Hamann

"Aus der aktuellen Mannschaft ist Steffen Hamann zu nennen, auch weil er schon im Aufstiegsjahr dabei war. Er ist der verlängerte Arm von Dirk Bauermann und soll der Leader sein. Hamann zieht sehr gut zum Korb und gehört zu den besten Aufbauspielern der BBL, auch wenn das Werfen von außen nicht zu seinen Stärken zählt."
(Nationalspieler Steffen Hamann hat bereits mehr als 130 Länderspiele für Deutschland absolviert. Er spielte für GHP Bamberg, Climamio Bologna, Brose Baskets Bamberg und ALBA Berlin, ehe er 2010 zum FC Bayern München wechselte)

Zwei Meisterschaften und ein Pokalsieg

Die Meistermannschaft von 1954/55.

Auf die Tradition wurde lange Zeit gepfiffen: Dabei war der FC Bayern schon zweimal Deutscher Basketball-Meister - in den Jahren 1954 und 1955. Zum erfolgreichen Team gehörte unter anderen Markus Bernhard, der zuvor (1947 und 1949) schon mit dem MTSV Schwabing Meister geworden war und der seinerzeit sowohl in der Basketball- als auch in der Handballnationalmannschaft spielte - aus heutiger Sicht unglaublich! Trainer war damals Franz Kronberger - ein ehemaliger Fußballer, der die Basketball-Abteilung 1946 erst gegründet hatte.

Auch ein Pokalsieg steht zu Buche: Im Jahr 1968 holte das Team um Topscorer Dr. Klaus Schulz und Jürgen Schröder den DBB-Pokal nach München - es sollte bis heute der letzte Titel bleiben. Nationalspieler Schulz, der als erster Deutscher überhaupt im Ausland bei Estudiantes Madrid spielte, war damals der Star der Mannschaft.

USC München wird Vizemeister

Basketball im Stadion: 1956 traf der FC Bayern im Grünwalder Stadion auf Lancia Bolzano.

Es gab aber nicht nur den FC Bayern: Die Sechziger Jahre waren die Hochzeit des Basketballs in der bayerischen Landeshauptstadt. Gleich drei Münchner Klubs gehörten 1966 zu den Bundesliga-Gründungsmitgliedern - neben den Bayern noch der erste Nachkriegsmeister MTSV Schwabing sowie der TSV 1860 München. Ein Jahr später kam mit dem USC München (heute: München Basket) ein weiterer Klub dazu, der die Bayern sportlich zeitweise überholte. Laszlo Lakfalvi, als Trainer zuvor mit dem MTV Gießen zweifacher Deutscher Meister, heuerte beim Universitäts-Sportclub an und lockte auch namhafte Ausländer nach München, darunter Spielmacher Janos Belik, der heute Präsident des Nachfolgeklubs ist. Mehr als der Vizemeistertitel im Jahr 1971 sprang für den USC aber nicht heraus.

Münchner Erfolgsteams

  • MTSV Schwabing (Deutscher Meister 1947)
  • FC Bayern München (Deutscher Meister 1954, 1955, 2014, Deutscher Pokalsieger 1968)
  • TSV 1860 München (Bundesliga-Gründungsmitglied, Bundesliga-Vierter 1966/67)
  • USC München (Deutscher Vizemeister 1971)

Mittelmaß war die Regel

Nach dem zwischenzeitlichen Hoch des USC war dann aber recht bald der FC Bayern wieder die Nummer eins in der Stadt. So etwas wie Konstanz gab es aber nicht, erst recht nicht nach dem vorerst letzten Bundesligaabstieg im Jahr 1989: Zwar wurden immer mal wieder namhafte Trainer verpflichtet. Insgesamt blieb das Bemühen aber halbherzig. Beleg dafür ist die Tatsache, dass die Heimspiele bis 2009 in der miefigen, nicht zeitgemäßen Schulturnhalle an der Säbener Straße ausgetragen wurden - ein Stimmungskiller.

Mitgliederbefragung sorgt für Umdenken

Erst 2009 wurden die Weichen dafür gestellt, dass sich der FC Bayern auch im Basketballsport (wieder) verstärkt engagiert. Bei einer Mitgliederbefragung stimmte eine überwältigende Mehrheit dafür, München mittelfristig zu einer Topadresse im europäischen Vereins-Basketball zu machen. Als "Motor" hinter dieser Entwicklung gilt in erster Linie Vizepräsident Bernd Rauch, der auch den lange skeptischen Uli Hoeneß überzeugte und ins Boot holte.

Zeit des Umbruchs

Identifikationsfigur des neuen FC Bayern: Nationalspieler Steffen Hamann

In einem ersten Schritt wurde Erfolgscoach Dirk Bauermann verpflichtet (zu dieser Zeit auch amtierender Bundestrainer). Das Olympia-Eisstadion wurde zur provisorischen Heimstätte umfunktioniert. Nach dem vollbrachten Bundesligaaufstieg kam vor der Saison 2011/2012 Ex-Nationalspieler Marko Pesic als Sportdirektor. Der Etat wurde dem Niveau der Bundesliga-Topteams aus Bamberg und Berlin angepasst, die Rudi-Sedlmayer-Halle umgebaut und die Mannschaft verstärkt. Schon damals formulierte Hoeneß gewohnt kernig das Ziel, oben mitzuspielen und "versuchen, mittelfristig Meister zu werden."

Bauermann-Entlassung ein Paukenschlag

Lange Zeit "Gesicht" des Projekts: Dirk Bauermann

Dass die Mannschaft im ersten Jahr nach dem Wiederaufstieg "nur" das Playoff-Viertelfinale erreichte (wo gegen die Artland Dragons Endstation war), wurde für Bayern-Verhältnisse zumindest nach außen hin noch gelassen hingenommen. Doch offensichtlich brodelte es da bereits hinter den Kulissen. Eine Woche vor Saisonstart dann der Paukenschlag: Völlig überraschend wurde Dirk Bauermann entlassen. Die Vereinsführung war mit der Vorbereitung und dem angeblich zu laschen Training unzufrieden und hatte nicht mehr das Gefühl, dass der Erfolgstrainer das Beste aus der noch einmal mit erfahrenen, namhaften internationalen Spielern verstärkten Mannschaft herausholen kann.

Pesic holt Pesic - und der holt den Titel

Mit Yannick Christopoulos wurde in der Spielzeit 2012/2013 ein zweiter Trainer verschlissen, ehe Marko Pesic seinen Vater Svetislav Pesic unter Vertrag nahm. In Berlin, Barcelona und anderswo hatte der Mann, der Deutschland 1993 sensationell zum Europameistertitel geführt hatte, bewiesen, dass er Mannschaften zu Spitzenteams formen kann, die national wie international höchsten Ansprüchen genügen. Das schaffte er nun auch in München, auch wenn speziell die Transferpolitik in der Liga (vor allem beim Konkurrenten aus Berlin) nicht immer auf Gegenliebe stieß. Nach dem Erreichen des Playoff-Halbfinals in der Saison 2012/2013 gelang ein Jahr später der erhoffte Coup.

Svetislav Pesic bei der Meisterfeier im Juni 2014

2014/2015 reichte es anschließend "nur" zur Vizemeisterschaft. In der Spielzeit 2015/2016 war sogar schon im Halbfinale Endstation - immerhin gegen den späteren Meister aus Bamberg.

Basketball in München etabliert

Seit dieser Saison steht mit Sasa Djordjevic ein neuer Headcoach an der Seitenlinie, der das schwierige Erbe von Svetislav Pesic angetreten hat. Trotz des leichten Abwärtstrends in den letzten beiden Jahren: Der FC Bayern Basketball gilt neben den Bambergern in der BBL weiterhin als die Mannschaft, die es zu schlagen gilt. Es ist das "Entweder-oder-Prinzip" des FC Bayern, das wieder mal gegriffen hat. Früher hieß das, sich voll auf eine Sportart (den Fußball) zu konzentrieren. Heute bedeutet es: Was der Klub anpackt, das macht er gescheit. Spitzen-Basketball ist in München angekommen.


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