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Männer der Wildnis Ihre harte Realität

Stand: 15.06.2004 | Archiv

Jagdgewehr mit Schrotpatronen | Bild: picture-alliance/dpa

Die Kehrseite der Medaille der Verklärung: Das Leben der Wilderer war nicht halb so romantisch, wie es viele Geschichten und Legenden suggerieren. Verfolgt von den Grundbesitzern und Jägern drohten harte Strafen oder der Tod. Dabei war es meist die schiere Not, die aus Bauern Gesetzesbrecher machte.

Jagd - Privileg des Adels

Nach altem germanischen Recht hatte noch jeder freie Bauer das Recht zu jagen. Mit Beginn des Mittelalters sicherten sich hingegen die Adligen die Jagd als Privileg. Das Landvolk hatte fortan das Nachsehen. Vielerorts durften die Bauern nicht einmal den Wald betreten, geschweige denn ein Stück Fleisch für den Kochtopf erlegen. Stattdessen mussten die Bauern für das Freizeitvergnügen des Adels leiden: Zäune zum Schutz der Felder wurden niedergerissen, damit das Wild freien Lauf hat. In manchen Gebieten wurden den Hunden der Bauern sogar die Vorderpfote abgehackt, damit sie kein Wild reißen konnten.

Im Schutz und Schoß der Sennerin

Doch einige Bauern wehrten sich und gingen heimlich mit der Flinte in die Wälder. Zur Notwendigkeit der Lebensmittelbeschaffung kam die klammheimliche Freude, einem "Großkopferten" die Gams oder den kapitalen Hirschen vor der Nase weggeschossen zu haben. Vom einfachen Volk wurde der Wilderer deshalb bewundert und beschützt - auch von so mancher Sennerin, die ihren Heustadel und manchmal auch ihr Bett als Unterschlupf zur Verfügung stellte. Dafür bekam sie vom Wilderer ein Stück seiner Beute ab.

Die Tricks der Profis

Ohne Rückhalt in der Bevölkerung hätten die Wilderer nicht lange existiert. Wer erwischt wurde, dem ging es schlecht. Finger abhacken, Augen ausstechen oder Ohren abschneiden - das gesamte Arsenal mittelalterlicher Grausamkeiten gehörte zu den angedrohten Strafen. Oder ein ertappter Wilderer wurde auf einen Hirschen gebunden und damit ins Gebirge gejagt, worauf beide abstürzten. Eine andere Todesart war der direkte Schusswechsel mit dem Jäger. Noch zu Jennerweins Zeiten war das Wildern ein so genanntes "Majestätsverbrechen".

Damit solches nicht passiert, hatten die Wilderer so ihre Tricks. Sie bauten zerlegbare Gewehre oder sägten die Läufe ab, um die Waffen leicht verstecken zu können. Flinten wurden als harmlos aussehende Spazierstöcke getarnt und Schuhe verkehrt herum besohlt, um die Jäger zu täuschen. Und schließlich gab es ein Informationssystem: Mit eigens vereinbarten Jodlern konnte eine Sennerin ihren Wilderer vor einem Jäger warnen. Apropos Wilderer: Es gab auch einige Frauen, die heimlich mit dem Gewehr durch die Wälder pirschten. Zum Beispiel die um 1900 geborene Aschinger Nandl aus Österreich, die bis in ihr 80. Lebensjahr hinter Rehböcken her war.

Hintergrund

Kripobeamter an einer Rehfalle - gewildert wird auch heute noch.

Wer glaubt, die Wilderei gehöre der Vergangenheit an, irrt. Gewildert wird nach wie vor. Die Forstämter registrieren jedes Jahr über 100 Fälle. 2002 gab es in Bayern 181 davon, 63 konnten aufgeklärt werden. Beweggründe sind nicht mehr wie früher Hungersnot, sondern der Reiz der Trophäen und des Verbotenen. Die Verletzung fremden Jagdrechts wird aber nach Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer saftigen Geldbuße bestraft. Aber auch gesetzestreue Bürger können schneller zum Täter werden als ihnen vielleicht bewusst ist: Wer mit seinem Auto ein Wild auf der Straße "erlegt" und das Tier mitnimmt, ist ein Wilderer.


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