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Jennerwein Der Prophet gilt im eigenen Land nichts

Stand: 15.06.2004 | Archiv

Schliersee, vom See aus gesehen | Bild: BR / Ernst Eisenbichler

Das Phänomen Wildschütz fasziniert offenbar noch heute. An nachweisbaren oder zugeschriebenen Gräbern legen stille Bewunderer noch heute Devotionalien nieder. Die Gemeinde Schliersee versucht allerdings, den Kult um Jennerweins letzte Ruhestätte nicht ausufern zu lassen. Damit auf sein Grab auf dem Friedhof St. Martin im Schlierseer Ortsteil Westenhofen nicht jeder Wilderer-Pilger uneingeschränkten Zugriff hat, legte man die Pflege in die Hände des Schlierachtaler Trachtenvereins. Der schmückt es mit Blumen und ewigem Licht, bittet ansonsten aber per Tafel, von weiteren Kulthandlungen Abstand zu nehmen.

Jennerwein-Grab auf dem Friedhof St. Martin im Schlierseer Ortsteil Westenhofen

Aus gutem Grund: Getreu dem Motto "Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts" gibt es in Schliersee nämlich eine starke Fraktion, die Jennerwein äußerst skeptisch gegenübersteht. Erkundigt man sich beim Friedhofspersonal von St. Martin nach der genauen Stelle des Grabes, wird einem wohl korrekt, aber widerstrebend der Weg gewiesen. "Des is gar net wichtig. Der Jennerwein war ein Tunichtgut und ein Lump," schärft man dem Touristen ein. Für die "Ehrenwerten" ist und bleibt der Wildschütz ein Hallodri.

Beine und Gebeine

Das Jennerwein-Grab mit Inschrift ...

Dabei ist es sowieso unwahrscheinlich, dass man vor dem echten Grab steht. Vor gut 100 Jahren wurde der Westenhofener Friedhof erweitert. Dabei versetzte man angeblich Jennerweins Grabkreuz an einen anderen Platz, nicht aber seine Gebeine - zu teuer.

Grund des Umzugs: Einflussreiche Gemeinderatsmitglieder wollten ihre Angehörigen nicht neben einem Kriminellen beerdigt wissen. Jahre später wurde ein anderer Wildschütz so angeschossen, dass ihm ein Bein amputiert wurde. Und dieses - und nichts anderes - liege nun im vermeintlichen Jennerwein-Grab, sagt man. 

Aber Legenden hinterfragen heißt sie zerstören - und so wollen wir daran glauben, an der richtigen Stelle zu gedenken.


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