Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. September 1947 Hugh Lofting gestorben

In seinen Briefen von der Front entwickelt der Engländer Hugh Lofting 1917 den Arzt Doktor Dolittle, der keine Menschen mehr behandeln will, sondern Tiere. Dafür lernt der exzentrische Landarzt eigens die Sprache der Tiere. Er wird - wie sein Schöpfer Lofting - weltweit bekannt.

Stand: 26.09.2011 | Archiv

26 September

Montag, 26. September 2011

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Ilse Neubauer, Axel Wostry

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Sprecherin
Die Tierwelt leidet meist stumm. All ihr Schmerz, all ihre Pein bleibt ungehört, nur weil sie nicht sprechen kann. Oder kann sie es am Ende doch - und der Mensch versteht sie nur nicht?

Zitator
"Hör dir einmal das an: Ke - ke - oi - i - fi - fi. Was denkst du dir dabei?"
"Du meine Güte", rief Doktor Dolittle. "Was soll das denn bedeuten?"
"Das heißt in der Vogelsprache: Ist die Grütze schon heiß?"
"Das ist doch nicht dein Ernst", sagte der Doktor. "So hast du noch nie zu mir gesprochen."
"Was hätte es denn für einen Sinn gehabt?" sagte Polynesia und stäubte sich ein paar Zwiebackkrümel von ihrem linken Flügel. "Du hättest mich doch nicht verstanden."
 
Sprecherin
Mit Hilfe des Papageien Polynesia erfüllt sich für den Landarzt Doktor Dolittle ein Traum: er lernt die verschiedenen Sprachen seiner Patienten. Und erfährt schon bald Erstaunliches. 

Zitator
"Doktor", sagte der Ackergaul, "der Tierarzt hinter dem Hügel hat mich sechs Wochen lang auf Arthritis behandelt. Dabei brauche ich in Wirklichkeit eine Brille. Auch der Sohn meines Bauern glaubt, er wisse alles über Tiere. Vorige Woche wollte er mir ein Senfpflaster verpassen!" - "Wo hat er es denn aufgelegt", fragte der Doktor. - "Oh, nirgends. Jedenfalls nicht bei mir. Ich habe ihn in den Ententeich geworfen."

Sprecherin
Was würde geschehen, verstünde man die Sprache der Pferde, fragte sich der Engländer Hugh Lofting im Kriegsjahr 1917. Der 31jährige Leutnant war auf der Suche nach Geschichten, die er von der flandrischen Front aus nach Hause schreiben konnte, wo seine Frau und die beiden Kinder auf Post warteten. Vom alltäglichen Schrecken des Krieges konnte er nun wirklich nicht berichten - aber vielleicht war ja die Sache mit den Pferden ausbaufähig. Wie die Soldaten riskierten auch sie täglich ihr Leben. Wäre es da nicht eigentlich nur gerecht, wenn sie auch versorgt würden wie Soldaten, wenn sie verletzt waren? Ideal wäre es natürlich, wenn man verstehen könnte, was ihnen fehlt.

Zitator
"Das war der Anfang der Geschichte: ein exzentrischer Landarzt, außergewöhnlich tierlieb und mit einem Faible für Naturgeschichte, der beschließt, ab sofort keine Menschen mehr zu behandeln, und stattdessen die schwierigere, aber um so befriedigendere Arbeit im Tierreich leistet."

Sprecherin
In vielen Briefen nach Hause entwickelt sich die Sache nach und nach: Der sprachkundige Doktor lebt in einem kleinen Haus mit großem Garten. Zu Hund, Papagei und Ente gesellen sich Affe, Krokodil und Schwein. Sie beginnen, den Haushalt zu führen und gehen schließlich mit Dolittle auf Reisen.

Nach Ende des Krieges gerieten die Briefe mit den vom Autor illustrierten Geschichten einem Verleger in die Hände. Und der erkannte sofort ihr Potential. "Doktor Dolittle und seine Tiere" erschien 1920; danach folgte fast jedes Jahr ein neuer Band. Hugh Lofting, der vor seiner blitzartigen Karriere als Schriftsteller in Amerika und Afrika als Ingenieur und Landvermesser gearbeitet hatte, schien eine geradezu unerschöpfliche Phantasie zu besitzen, mit der er seinen Helden samt Menagerie rund um die Welt von einem Abenteuer ins nächste schickte.   

Ende der 20er Jahre aber war plötzlich ein Ende erreicht. Lofting hatte zu dieser Zeit schwere Schicksalsschläge zu verkraften; nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1927 starb 1928 auch die zweite, nur wenige Monate nach der Hochzeit. Keine gute Zeit, um heitere Kindergeschichten zu schreiben - und so sollte die Serie mit dem achten Band "Doktor Dolittle auf dem Mond" auslaufen.

Die Leser jedoch fanden sich mit dieser Entscheidung nicht ab. In zahllosen Briefen drängten sie auf Fortsetzung - und erhielten sie schließlich. Insgesamt 12 Bände erschienen zu Loftings Lebzeiten; nach seinem Tod am 26. September 1947 stellten die Erben, darunter ein Sohn aus dritter, glücklicherer Ehe, aus dem hinterlassenen Material noch weitere drei Bücher zusammen.

Heute sind viele der Geschichten in Vergessenheit geraten. Die Hauptfigur aber, der kleine, freundliche Doktor mit dem großen Hut, der in allen Lebenslagen seine gelassene Höflichkeit bewahrt - er ist eingegangen in den Olymp der Literatur, denn er gehört heute zum geistigen Allgemeingut der Menschheit. Und mit ihm die Utopie einer Welt, in der alle Lebewesen einander verstehen und hilfreich zur Seite stehen - der Traum vom Paradies auf Erden.  


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