Bayern 2 - Das Kalenderblatt


0

1. Februar 1894 John Ford geboren

Er machte die Legende zur Wirklichkeit - Der Regisseur John Ford hätte sich den Western patentieren lassen können und den ganzen Wilden Westen mit dazu. Am 1. Februar 1894 wurde er geboren.

Stand: 01.02.2012 | Archiv

01 Februar

Mittwoch, 01. Februar 2012

Autor(in): Herbert Becker

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Vielleicht ist es ein wenig gewagt, Wildwest-Filme mit homerischen Epen zu vergleichen, aber gewisse Parallelen gibt es durchaus. Was hier die von blauen Bergen begrenzten Prärien, sind dort die rauen Gestade des salzigen Meeres, was hier die von Pferden gezogene Kutsche, ist dort das von starken Rudern getriebene Schiff. Und hier wie dort weiß man von Anfang an, wer in der Geschichte der Gute ist und wer der Böse, und man kann sich darauf verlassen, dass der Gute zum Schluss gewinnt und der Böse sein Fett abkriegt. Unklar ist, ob es in der Antike auch B-Epics gab, Epen also, die - so wie die B-Movies - relativ schnell und billig produziert wurden. Wenn es sie gegeben haben sollte, dann hat von vorn herein niemand damit gerechnet, dass sie im 21. Jahrhundert noch jemand kennt, ungefähr so wie heute niemand mehr etwas von den B-Movies der 1930er-Jahre weiß. Die Namen der B-Movie-Darsteller sind uns ungefähr so geläufig wie diejenigen der Rhapsoden, die durchs antike Griechenland zogen und die homerischen Dichtungen zu Gehör brachten.

Wilder Westen als Mythos

Ein paar Ausnahmen gibt es! Immerhin kam es beim Film vor, dass es ein Schauspieler schaffte, von der B-Liga in die der A-Pictures aufzusteigen. John Wayne zum Beispiel. Anfang der 1930er-Jahre wirkte er lange für ganze 75 Dollar in der Woche bei billigen und künstlerisch unbedeutenden Serienproduktionen mit; der Film, in dem er zum ersten Mal eine Hauptrolle bekam, wurde ein Flop, woraufhin er über Monate hinweg arbeitslos war.

Dann jedoch, 1939, inszenierte der Regisseur John Ford den mittlerweile zum Klassiker gewordenen Western Ringo. Weil der Produzent eine Abneigung gegen B-Movie-Schauspieler hatte, kostete es Ford einige Mühe, seinen Freund John Wayne als Hauptdarsteller durchsetzen. Doch der Erfolg gab ihm Recht.

Stagecoach - so der Originaltitel des Films - wurde nicht nur ein Kassenschlager, er hat auch das Genre des Wildwestfilms von Grund auf verändert, ja, er hat sogar entscheidend dazu beigetragen, dass der Wilde Westen überhaupt zu dem Mythos wurde, der er heute ist.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat John Ford nie versucht, die längst vergangene Welt an der frontier möglichst realistisch darzustellen. Ihn interessierten, wie es ein Kritiker ausdrückte, "die mystischen Aspekte, die psychologische Bedeutung der Protagonisten, er machte die Legende zur Wirklichkeit und die Folklore zur Realität".

John Ford und Homer?

"Ich will den Leuten zeigen, wie der Westen war", hat Ford einmal gesagt. Das hat er in vielen seiner insgesamt 124 Filme getan - ungefähr so, wie uns Homer das antike Griechenland gezeigt hat: Eingehüllt in Legenden und Sagen, aber mit einem wahren Kern. Überhaupt haben die zwei eine ganze Menge gemein: Homer gilt mit der Ilias und der Odyssee als der erste große Dichter des Abendlandes, John Ford hat mit Stagecoach den ersten literarischen Western von Weltruf geschaffen. Beiden wurden hohe Ehren und zahlreiche Auszeichnungen zuteil - John Ford erhielt für sein Werk unter anderem vier Oscars.

Aber hier endet der Vergleich dann auch; Odysseus und John Wayne nebeneinander zu stellen, ginge dann doch etwas weit, auch wegen des zeitlichen Abstands zwischen den beiden Künstlern. Immerhin trennen den am 1. Februar 1894 geborenen John Ford und seinen Bruder im Geiste Homer runde dreitausend Jahre.


0