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Heiße Nummer trotz schwachem Herz? Sex bei Herzpatienten

Herzpatienten müssen sich keine Sorgen machen; im Gegenteil. Sexuelle Aktivitäten erhöhen sogar ihre Langzeit-Überlebenschancen – solange sie sich selbst nicht unter Druck setzen.

Von: Uli Hesse

Stand: 12.09.2019

Älteres Paar, das sich liebt | Bild: picture-alliance/dpa

Sex entspricht einer leichten körperlichen Betätigung und tut gut. Wer Bedenken hat, dass Medikamente die Erektionsfähigkeit oder das Lustempfinden beeinträchtigen, sollte mit seinem Arzt darüber sprechen und mit ihm oder ihr zusammen eine Alternative suchen. Sexuelle Aktivitäten sind für 99 Prozent aller Herzpatienten vollkommen ungefährlich; es lässt sich mit flottem Gehen oder Treppensteigen über zwei Stockwerke vergleichen. Wer das schafft, hat nichts zu befürchten. Nur bei einem wirklich instabilen Gesundheitszustand ist Enthaltsamkeit angezeigt.

"Wer an einer Herzsportgruppe teilnehmen kann, kann auch Sex haben. Nur zum Vergleich: Wenn der Lieblingsverein Fußball spielt oder man sich so richtig ärgert, steigt der Puls wesentlich höher."

Dr. med. Christa Bongarth

Take it easy

Ältere Herzpatienten sollten ihr sexuelles Erleben der neuen Situation anpassen: weg von der olympischen Disziplin und dem Erektions- und Orgasmus-Stress, hin zu ruhigeren, zärtlichen Formen. Alternativen sind zum Beispiel Befriedigung mit Mund oder Hand, obwohl das manchmal etwas Gewöhnung erfordert. Wenn das alles beschwerdefrei geht, kann man auch Geschlechtsverkehr ausprobieren.

Alternative Stellungen

Seitliche Stellungen sind grundsätzlich weniger anstrengend. Man kann es auch im Sitzen auf dem Stuhl probieren; der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Und selbst für stark eingeschränkte Menschen - also Patienten mit schwerer Herzschwäche oder Sauerstoffgerät - gibt es empfehlenswerte Stellungen, über die man mit dem Arzt sprechen sollte.

Erektionsstörungen durch Medikamente oder Gefäßverkalkung?

Viele Männer schieben eine Erektionsschwäche auf ihre Medikamente. Aber häufig ist gerade bei Herzpatienten die zugrundeliegende Herzerkrankung der eigentliche Grund für die erektile Dysfunktion. Denn die Arteriosklerose - die Gefäßverkalkung - greift nicht nur die Herzkranzgefäße an, sondern alle Gefäße, auch im Unterleib. Daher ist eine Erektionsstörung häufig ein frühes Warnsignal für eine Arteriosklerose.
Wer jedoch das Gefühl hat, eine sexuelle Störung könnte durch ein Medikament ausgelöst worden sein, sollte dieses Medikament nicht eigenständig absetzen. Gerade bei Herzerkrankungen sind bestimmte Medikamente ausgesprochen wichtig, daher sollte man das weitere Vorgehen immer mit dem Arzt besprechen. Er oder sie kann feststellen, ob es tatsächlich am Medikament liegt, ob die Dosis reduziert werden kann oder auf ein anderes Medikament umgestellt werden muss.

Keine Lust mehr?

Manche Herz- oder Kreislaufmedikamente können die Lust auf Sex mindern – vor allem Betablocker sind in Verruf geraten. Auch in diesem Fall sollte der Arzt Nutzen und Risiko gegeneinander abwägen, denn wenn ein Medikament fürs Herz zwingend erforderlich ist, lässt es sich nur schwer absetzen. Beruhigungstabletten und Antidepressiva können ebenfalls die sexuelle Erregung beeinflussen. Möglicherweise lassen sich – wiederum in Absprache mit dem Arzt - Schlaftabletten durch einen Beruhigungstee am Abend ersetzen. Nicht zu vergessen der ganz normale Alterungsprozess, Angst und Depressionen sowie körperliche Einschränkungen, die unabhängig von Medikamenten zu mangelndem Lustempfinden führen können.

Die Angst vor dem Herzinfarkt

Wer häufig Sex hat, hat kein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt, auch wenn er oder sie schon vorher einen Infarkt hatte. Im Gegenteil: Wer sexuell aktiv ist, überlebt länger als Herzpatienten, die völlig auf Sex verzichten. Unsportliche Menschen sind dabei generell mehr gefährdet als sportliche Menschen; das absolute Risiko beim Sex einen Herzinfarkt zu erleiden ist dennoch für alle minimal.

Aufregung beim Fremdgehen erhöht möglicherweise das Risiko.

Dagegen scheint ein Seitensprung das Risiko zu erhöhen: Eine rechtsmedizinische Untersuchung analysierte 60 Fälle, bei denen ein Partner beim Sex starb – die meisten waren Männer. Mehr als die Hälfte starb bei einer Geliebten oder Prostituierten und nur jeder vierte Mann bei der Ehefrau. Sexuelle Aktivitäten in der gewohnten Umgebung sind vielleicht nicht so aufregend, aber scheinen deutlich ungefährlicher und unproblematischer zu sein.

Kommunikation ist der Schlüssel

"Viele Angehörige unserer Patienten haben das Gefühl: Ich muss ihn oder sie jetzt schonen, anstatt sexuelle Bedürfnisse und Probleme anzusprechen. Und beide reden sich ein: Es ist besser so."

Dr. med. Christa Bongarth

Probleme mit der Sexualität lösen sich jedoch nicht dadurch, dass man sie unter den Teppich kehrt; sondern nur, indem man darüber spricht – mit dem Arzt, mit dem Partner oder der Partnerin – und dadurch Lösungen und Alternativen findet.


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