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Hintergrund Lust und Liebe

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Mit Prothese im Bett Sex mit künstlichem Knie- oder Hüftgelenk

Was kann man dem neuen Gelenk zumuten? Eine Hüftprothesenluxation droht vor allem in der Frühphase nach der Operation. Knie-Patienten müssen sich dagegen kaum einschränken.

Von: Uli Hesse

Stand: 12.09.2019

Älteres Paar, das sich liebt | Bild: picture-alliance/dpa

Wer vor einer Knie- oder Hüftoperation steht, leidet meist so große Schmerzen, dass an Sex nicht zu denken ist. Nach dem Einsatz einer Prothese sieht die Situation anders aus: Knie-Patienten dürfen (fast) alles, so lange es nicht wehtut. Hüft-Patienten dagegen müssen sehr genau aufpassen, wieweit sie die Hüfte beugen und wohin sie ihre Beine drehen. Das Wichtigste ist, mit dem Operateur zu sprechen, um herauszufinden, was individuell möglich ist.

Sex mit künstlichem Knie

Knie-Patienten dürfen sich schon kurz nach der Operation ohne Einschränkungen wieder sexuell betätigen. Manchmal lässt sich das Knie danach nicht wieder voll beugen, aber 90 Grad sollten alle Patienten schaffen. Manche können ihr künstliches Kniegelenk nicht wieder komplett durchstrecken; das schränkt den Spielraum vielleicht etwas ein, aber es sollte nicht vom Sex abhalten.

"Wenn man auf der Knieprothese auf dem harten Boden kniet, hat man dabei möglicherweise Schmerzen an der Narbe, aber es kann nichts dabei kaputtgehen. Beim Knie kann man sich vom Schmerz und von der Bewegungseinschränkung leiten lassen, was möglich ist und was nicht."

Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson

Sex mit künstlicher Hüfte

In Deutschland werden jährlich mehr als 150.000 Hüftprothesen implantiert. Viele Patienten leiden vor der Operation unter so großen Schmerzen, dass sie ihr Sexualleben stark einschränken. Nach der Operation sind sie endlich schmerzfrei und könnten Sex genießen – wenn nicht vor allem in den ersten sechs bis zwölf Monaten das Risiko einer Luxation sehr groß wäre.

Risiko Luxation

Das Problem bei Hüftprothesenträgern und -trägerinnen ist, dass die Hüftkugel – der Prothesenkopf - bei bestimmten Bewegungen regelrecht aus der Hüftpfanne herausgehebelt werden kann. In einigen Arbeiten wird dieses Luxationsrisiko bei der Erstoperation mit bis zu sieben Prozent angegeben. Eine solche Luxation ist sehr schmerzhaft und die Hüfte muss im Krankenhaus wieder eingerenkt werden. Außerdem können dabei Muskeln verletzt werden. Es handelt sich um eine schwere Komplikation, die man nicht riskieren sollte.

"Bei Revisionen (also nach Prothesenwechsel, insbesondere wegen einer Infektion) steigt dieses Risiko auf bis zu 20 Prozent. Das ist schon viel und diese Zahl ist auch glaubhaft. Es gilt also, diese Luxationen zu vermeiden."

Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson

Fortschritte bei Prothesen und Operationen

Gerade in den letzten Jahren hat sich im Bereich der Prothetik sehr viel geändert.

"Perfekt eingebaute moderne Implantate luxieren nicht so leicht!"

Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson

Zum einen ist durch die minimalinvasiven Zugänge das Muskeltrauma geringer geworden. Zum anderen setzt man heute eher größere Hüftköpfe ein. Damit ist die Luxationsneigung geringer, denn je größer der Kopf, umso mehr Bewegungsfreiheit lässt die Hüfte zu. Außerdem röntgen Chirurgen während der Operation, bestimmen dadurch die Positionierung der Implantate und können sie - falls notwendig - sofort korrigieren. Und je nachdem, von wo operiert wurde – von vorne, von hinten, von der Seite – hat der Patient bei bestimmten Bewegungen ein erhöhtes Risiko, dass der Kopf aus der Pfanne springt.

"Wir testen bei einer Operation immer einmal alles komplett durch, alle Maximalbewegungen: Wir beugen die Hüfte bis 120-130 Grad und rotieren hin und her, sodass wir – wenn sie dabei luxiert – gleich herausfinden, woran liegt das, können wir es verbessern, und eigentlich baut man dadurch heutzutage Hüften schon sehr stabil ein. So leicht springen die nicht raus."

Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson

Wartezeit nach der Operation

Hüftpatienten sollten sich in den ersten sechs Wochen zurückhalten, bis sie wieder sexuell aktiv werden, denn direkt nach der Operation sind die Hüftgelenke am stärksten luxationsgefährdet. Die "Endfestigkeit" der Hüftkapsel wird erst nach sechs bis zwölf Monaten erreicht. Aber je länger die Operation zurückliegt, umso stabiler liegt die Kapsel um das Hüftgelenk.

Was geht, was geht nicht?

Riskant sind alle Positionen in denen man...

  • die Hüfte stark beugt.
  • die Hüfte beugt und die Beine gleichzeitig nach innen oder außen dreht. Ob Gefahr eher von innen oder außen droht, hängt vom Operationszugang ab. Je mehr Hüftbeugung bei den Drehbewegungen, umso höher das Risiko.
  • die Beine überkreuzt – also das rechte Bein über das linke und andersrum.

Dagegen reduziert das Abspreizen der Beine das Luxationsrisiko.

"Am besten weiß der Operateur, was geht und was nicht. Man sollte als betroffener Patient oder als Patientin keine Scheu haben, seinen Operateur zu fragen. Die kennen diese Fragen nämlich!"

Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson

Empfehlenswerte Positionen

Frauen mit Hüftprothesen sind stärker eingeschränkt als Männer. Die American Association of Hip and Knee Surgeons empfiehlt nur drei von zwölf möglichen Stellungen für Frauen nach einer Hüft-Operation, dagegen fünf für Männer. Empfohlen werden passive Stellungen auf dem Rücken liegend für Männer wie für Frauen. Männer mit Hüftprothesen dürfen auch auf dem Bauch oben liegen. Außerdem wird eine seitliche Position für Männer wie Frauen empfohlen; dabei sollte immer ein Kissen zwischen die Beine gelegt werden.

"Wird zum Beispiel bei der 'Missionarsstellung' die Hüfte nicht zu sehr gebeugt und rotiert, würde ich dabei kein Problem sehen. Problematisch kann es werden, wenn ein Mann mit sehr breitem Becken die Beine der Frau dabei zu sehr nach außen drückt."

Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson

Haben beide Partner eine Prothese, gilt nur Sex im Stehen als ungefährlich. Aber auch hier ist wichtig, mit den Operateuren zu sprechen um herauszufinden, was wirklich möglich ist, und damit auch die Angst vor einer Luxation zu nehmen, die natürlich das Sexleben stark beeinträchtigen kann.


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