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"Wonka" im Kino Dieser Weihnachtsfilm ist so zeitgemäß wie ein Kolonialwarenladen

„Wonka“ mit Timothée Chalamet als angehender Schokoladenfabrikant will der Weihnachtsfilm des Jahres sein. Auch wenn der Plot rührend ist, unter den Schokomassen verbirgt sich aber eine Erzählung wie ein Kolonialwarenladen: von gestern.

Von: Paula Lochte

Stand: 11.12.2023

Timothee Chalamet als Willy Wonka | Bild: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Warner Bros

Nach sieben Jahren auf den sieben Weltmeeren geht Willy Wonka zurück an Land mit nicht viel mehr als einer Hand voll Münzen und einem Traum: ein eigenes Schokoladengeschäft. Und das nicht irgendwo, sondern dort, wo die angeblich besten Chocolatiers der Welt residieren. In London irgendwann um 1900.

So ist die Ausgangslage in „Wonka“. Der Film will die Vorgeschichte erzählen des erfolgreichen Schokoladenfabrikanten Willy Wonka, bekannt aus dem Kinderbuchklassiker „Charlie und die Schokoladenfabrik“ von Roald Dahl. Und es dauert nur wenige Minuten, da macht der Kinoblockbuster Fans von Wonka-Darsteller Timothée Chalamet ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk: Der androgyne, zierliche Jungstar, dem seit dem Indie-Filmhit „Call Me By Your Name“ Männer- wie Frauenherzen zufliegen, beginnt zu singen.

Willy Wonka gegen das Schokoladenkartell

Das Schokoladenkartell berät, was sie gegen Wonka tun können.

Willy Wonka singt, strahlt und tanzt sogar dann noch, als er aufs berühmt-berüchtigte Schokoladenkartell trifft. Das Schokoladenkartell, das sind drei Männer in Anzügen, die in dieser Stadt das Monopol auf Schokolade halten, regelmäßig den Polizeichef schmieren und von Leuten, die sich ihre überteuerten Pralinen nicht leisten können, in etwa so viel halten wie von der Kotzfrucht. Sie wollen unbedingt verhindern, dass der, wie er sich selbst nennt, „Zauberer, Erfinder und Schokoladenmacher“ Wonka ihnen Konkurrenz macht.

Eröffnet ist der Kampf David gegen Goliath. Klein gegen groß. Arm gegen reich.  Erfrischend sozialkritisch für einen Blockbuster. Allerdings auch etwas scheinheilig, nicht zuletzt weil Wonka, so erzählt es uns der Roald Dahls Kinderbuchklassiker, wenige Jahrzehnte später selbst ein herrischer Fabrikant ist. Mit unterbezahlten oder sogar unbezahlten Arbeitskräften. Dazu gleich mehr.

„Wonka“ zeigt großen Humanismus auf großer Leinwand – wäre da nicht ein Problem

Im Prequel ist Willy Wonka nun zu unserem und seinem Glück noch kein verrückter Egomane, sondern ein verrückter Altruist. Er schart eine Wahlfamilie aus Unterjochten und Übersehenen um sich. Denn das ist die Botschaft des Films: Nichts und niemand ist so wichtig, wie die Menschen, mit denen wir unsere Schokolade teilen. Und das ist genau das, was man sich von einem Weihnachtsfilm erhofft: großer Humanismus auf noch größerer Leinwand. Das kann man weichgespült finden – oder einfach schön.

Wäre da nicht ein Problem. Das kommt auf leisen Sohlen angeschlichen und ist etwa kniehoch: ein Oompa Loompa. Die Oompa Loompas sind die Achillesferse des Kinderbuchklassikers und jeder seiner Verfilmungen. Denn sie sind nichts anderes als ein koloniales Klischee: Ein fiktiver kleinwüchsiger Stamm aus dem „tiefsten und dunkelsten Teil des afrikanischen Dschungels“ – wo Willy Wonka sie „entdeckt“.

Er klaut ihre Kakaobohnen und macht ihnen dann das vermeintlich „großzügige“ Angebot für ihn zu arbeiten – noch nicht mal gegen Geld, sondern im Tausch gegen aus ihren eigenen Bohnen hergestellte Schokolade. Von Anfang an hagelte es Kritik an der Sklaverei-Verbrämung, da half es auch nichts, dass Autor Roald Dahl die geografischen Bezüge später tilgte.

Hugh Grant knallorange angemalt und mit grüner Glitzerperücke

Der Kinofilm „Wonka“ glaubt nun das Problem zu lösen, indem er die Oompa Loompas erstmals nicht mit einem kleinwüchsigen und/ oder BPoC-Schauspieler besetzt – sondern mit Hugh Grant. Knallorange angemalt und mit grüner Glitzerperücke schreit nun alles: „Keine Sorge, wir meinen das nicht ernst!“. Doch das macht es nicht besser. Im Gegenteil.

Hugh Grant als Oompa Loompa.

Tanzend und singend (wir sind immer noch in einem Musical) erzählt Hugh Grant im Film vom tragischen Schicksal seines Volkes. Doch statt mitzufühlen, kann man nur hilflos lachen: Zu ulkig sind seine Tanzschritte und zu pipi-kacka-humorig die ganze Szene. Er pupst, und schon steigen seine Erinnerungen vor unser aller Augen auf: wie Willy Wonka die Kakaobohnen aus Loompaland klaut. Das Unrecht, das er den Oompa Loompas angetan hat, als witzige Gesangseinlage. Echt jetzt?

„Wonka“ leuchtet alles hübsch und nostalgisch aus

Letztlich wirkt der Film „Wonka“ wie ein Kolonialwarenladen. Er duftet angenehm nach Kaffee und Schokolade. Alles sieht hübsch aus und versprüht ein nostalgisches Flair. Seien es die Süßspeisen, die Kostüme oder die exotischen Tiere mit Schlüsselrolle (nämlich Flamingos und eine Giraffe). Das sieht filmisch wie kulinarisch nach aufwendigem Handwerk aus mit Liebe zum Detail. Dass an den Schokoladenhänden Blut klebt, bleibt jedoch erschreckend egal. Der Film von heute ist deshalb am Ende leider: von gestern.

"Wonka" (Warner Brothers Studios, 2023): Regie: Paul King. Mit unter anderem Timothée Chalamet, Hugh Grant, Olivia Colman und Rowan Atkinson. Läuft seit dem 7. Dezember in zahlreichen Kinos in Bayern. Trailer gibt es hier zu sehen.