Bayern 2 - Zündfunk

Mein Ding mit 16 mit Martin Semmelrogge „Die Studentenrevolte war viel interessanter als Schule“

Der Schauspieler Martin Semmelrogge brach mit 15 die Schule ab. Hörspiele, Film und Fernsehen – aber auch die Studentenrevolte waren schlicht spannender. Ein Gespräch über sein Moped, seinen Vater und Keith Richards Peitsche.

Von: Oliver Buschek und Noe Noack

Stand: 07.07.2023

Der Schauspieler Martin Semmelrogge | Bild: Michael Soutschka

In unserer Rubrik „Mein Ding mit 16“ begeben wir uns auf Zeitreise. Wir spulen zurück bis in das Jahr, in dem unser Gesprächspartner 16 Jahre alt war, und fragen: Was war dein Ding mit 16? Vom fahrbaren Untersetzer bis zur Lieblingsband, vom nerdigen Hobby bis zum Liebeskummer – die Antworten sind so unterschiedlich wie unsere Gäste. Diesmal: Der Schauspieler Martin Semmelrogge.

Geboren 1955 ist Semmelrogge seit vielen Jahrzehnten einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. An erster Stelle fällt einem der mehrfach oscarprämierte Film „Das Boot“ ein, wo er einen Offizier spielte. Außerdem „Tadellöser & Wolff“ und „Vorstadtkrokodile“ – um nur einige Beispiele zu nennen. Doch es war nicht alles Glanz und Gold in seinem Leben. Semmelrogge stand mehrfach vor Gericht und wurde mehrfach zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Und dass er dieses Jahr nicht im „Dschungelcamp“ zu sehen war, lag daran, dass ihn Australien wegen dieser Vorstrafen nicht ins Land lassen wollte. Dennoch lieben die Menschen diesen Schauspieler. Wir haben ihn gefragt, was ihn als Teenager bewegte.

Zündfunk: Martin Semmelrogge, was war dein Ding mit 16?

Martin Semmelrogge: Mein erstes Moped. Und zwar ein Zündapp Ks 50 Super Sport, das hatte ich mir selbst gekauft. Und ich war schon im zweiten Jahr als Schauspieler unterwegs: Als Hörspielsprecher im Bayerischen Rundfunk und mit der Fernsehserie „Die Powenzbande“. Das waren um die sieben rothaarige Kinder. Gustav Knuth hat den Vater gespielt und Ruth Maria Kubitschek die Mutter.

Und zum Dreh bist du mit deinem eigenen Moped gefahren?

Am Anfang natürlich nicht. Meine Eltern sahen es nicht gern, dass ich so ein schnelles Teil fuhr. Es fuhr 85 km/h. Ich habe es natürlich auf 90 km/h hochgedreht.

Also frisiert.

Nein, aber bergab habe ich es sogar auf 100 km/h geschafft. Heutigen Jugendlichen würde ich allerdings empfehlen, das Fahrrad zu nehmen. Denn die Spuren sind alle so schmal geworden.

Blieb zwischen Moped und Dreharbeiten noch Zeit für Anderes?

Eine Freundin hatte ich nicht, das interessierte mich damals noch nicht so. Und in der Schule war ich nicht mehr. Ich war mit 15 schon rausgegangen, um Schauspieler zu werden. Die Schule hat mich nie groß interessiert! Das war eine Waldorfschule in Schwabing in der Hippiezeit. Die Studentenrevolte war viel interessanter.

Wie haben deine Eltern reagiert?

Mein Vater hat mir den Schulabbruch glücklicherweise erlaubt. Die von der Waldorfschule hatten sich nämlich despektierlich übers Fernsehen geäußert. Da ist ihm der Kragen geplatzt: „Das ist ja reaktionär, man kann doch nicht einfach grundsätzlich sagen, beim Fernsehen käme man in schlechte Gesellschaft!“ Mein Vater war, was den Beruf betraf, sehr streng. In der DDR war er Intendant gewesen, dann ist er abgehauen, weil er nicht wollte, dass ihm idiotische Funktionäre in die Kunst reinquatschen. Er hat sein ganzes Leben aufgeben und ist mit meiner Mutter geflüchtet. Er musste bei null anfangen, als siebter Zwerg beim Süddeutschen Rundfunk.

Wie war der Moment, in dem du erfahren hast, dass du nicht mehr zur Schule musst?

Mein Vater kam zu mir und hat gesagt: „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.“ Da habe ich geantwortet: „Gib mir die Schlechte!“ Da meinte er, die Schule habe mir nicht frei gegeben für den Dreh. Da bin ich rausgestürmt. Und er rief mir hinterher: „Moment, die gute Nachricht weißt du ja noch gar nicht!“ Ich habe mich gefragt, was soll da denn jetzt noch kommen. Da meinte er: „Du musst nie wieder in diese Schule gehen, ich habe dich rausgenommen.“

Klingt nach Glücksgefühlen.

Ja, aber es war natürlich auch eine Bürde. Denn das hieß nicht, zu faulenzen. Sondern den Film gut zu machen, die Rolle gut zu studieren, Sprechen und Phonetik zu polieren.

Hast du deine Entscheidung je bereut?

Um Gottes willen, nein! Ich war so froh, dass ich nicht mehr zur Schule musste. Das war ja nicht mein Ding.

Welche Musik bringt dich zurück in deine Jugend?

Ich war ein Rolling-Stones-Fan. Die sahen gut aus und nahmen Drogen, was ja schwer modern war in der Zeit. Wir haben in einem kleinen Ort an der Grenze im Elsass gedreht und sind zu einem Stones-Konzert. Keith Richards hat bei „Midnight Rambler“ immer mit der Peitsche geschlagen. 47 Jahre später, im Jahr 2018, habe ich die Stones im Berliner Olympiastadion gesehen. Da haben sie wieder den Song gespielt, und Keith Richards hat wieder die Peitsche ausgepackt. Sie waren genauso gut wie damals.