Bayern 2 - Zündfunk

Harry Klein Closing Interview mit den Betreibern David Süss, Peter Fleming und Peter Süss

Sonntag, 21.05.2023 - ein schwarzer Tag für die Clubszene in München. Das Harry Klein muss endgültig wg. eines Hotel-Neubaus schließen. Zum Closing haben uns die Betreiber David Süss, Peter Fleming und Peter Süss im Zündfunk-Studio besucht.

Von: Zündfunk

Stand: 23.05.2023

Interview mit den Betreibern Peter Fleming, Peter Süss und David Süss | Bild: BR

David Süss: Hallo ich bin der David Süß. Ich bin von Anfang an dabei und mein Lieblingsmoment ist immer: wenn der Bass wieder einsetzt.

Peter Süss: Also ich bin der Peters Süß, muss ich immer dazu sagen, weil wir zwei Peters und zwei Süß haben, also deswegen Peter Süß und ich bin für die Kunst, für das Raumgefühl zuständig und eigentlich im klassischen Sinn der "Hausmeister" vom Harry Klein.
Die schönsten Momente finde ich immer - und das mögen viele nicht hören - ist in der Früh die Anlage auszumachen, mir gibt das eine gewisse Befriedigung.

Peter Fleming: Ich bin Peter Fleming und bin hauptsächlich fürs Booking verantwortlich gewesen, gewesen - weil wir seit diesem Jahr ja auch eine Bookerin haben.
Mein Lieblingsmoment - eigentlich gibt es keinen Moment, sondern dass wir das mit diesem Marry-Klein-Festival an den Start gebracht haben und dass wir da in der Szene viel bewegt haben.

Zündfunk/TR: Bleiben wir gleich mal bei dem Thema "Marry Klein". Ich habe so schön über euch gelesen: "Ekstase mit Haltung" - finde ich ein ganz geiles Label fürs Harry Klein - "Marry Klein", da wart ihr ja auch echt Pioniere, dass ihr gesagt habt: Moment stopp, das ist hier so ein männerinfizierter Haufen. Wir machen jetzt mal einen Monat lang nur weibliche Djs. Klingt heutzutage ganz normal - aber als ihr damit angefangen habt: "Wie was, was macht ihr da?"

Peter Fleming: Ich habe eine Sendung auf Arte im Frühjahr 2006 gesehen, da ging es um Frauen in der Kunst und um diese Unverhältnismäßig in den Clubs, dann haben wir im November dann das erste Mal das "Marry Klein"-Festival durchgezogen.

Zündfunk/TR: Kann man sagen, ihr habt die Frauenquote eingeführt?

Peter Fleming: Die Frauenquote haben wir eigentlich später auferlegt. Eigentlich erst so richtig nach der Pandemie, da haben wir ganz viele Livestreams gemacht und da haben wir die Frauen tatsächlich verstärkt durchgezogen.

Zündfunk/TR: Wir wollen noch ein bisschen im Präsens reden. Vergangenheit ist noch lang genug.
"Erst wenn der letzte Club geschlossen, das letzte Festival abgesagt, und die letzte illegale Party aufgelöst ist, werdet ihr feststellen, dass man zum Klimpern von Geld nicht tanzen kann."
Der Spruch war auf einem Schild und dieses Schild klebt noch im Eingang vom Harry Klein: Was passiert mit dem Schild?

Peter Fleming: Das Stadtmuseum will's haben.

Zündfunk/TR: So schnell wandert man ins Museum oder?

David Süss: 2019/2020 haben wir den Spruch kreiert, also noch vor der Pandemie. Da war aber schon klar, dass das Harry weg muss, das Grundstück verkauft, deswegen habe ich diesen Slogan - das ist die "Weissagung der Cree" - welche die 1970 schon gelebt haben, die kennen das vielleicht, das war ein Satz aus der ersten Ökobewegung, kann man nachnachgooglen, "Weissagung der Cree", empfehle ich mal allen. Auch das passt nämlich heute noch.
Wir haben das als Aufkleber und als Plakate gemacht. Also alle die das wollen, können von uns solche Aufkleber haben. Irgendwann wird es auch noch Zeit für T-Shirts.

Zündfunk/TR: Jetzt steht ja das ultimativ wirklich letzte Wochenende im Harry klein an. Meint ihr, dass die Leute anfangen werden, so kleine Devotionalien aus jeder Treppe rauszuschnitzen oder noch mal irgendwo was rauszufailen?

Peter Süss: Wir haben das einmal im Ultraschall eins erlebt, wenn so ein Laden zerlegt wird an der letzten Party, das war mit einer meiner schlimmste Momente in der Clubgeschichte! Wenn das dann einfach alles zerstört wird, klar, ist schön ein Andenken zu haben, aber wenn du dann aus dem Laden rausgehst und es ist alles kaputt und zerstört... und man hat ja auch Angst um seine Wertgegenstände, es gibt ja viele Sachen, die man weiter verwenden möchte.
Wir wollen keine Abrissparty! Wir werden die Sachen dem Stadtmuseum geben, die "Künste" nehmen Sachen zurück. Und wenn wir dann noch Sachen übrig haben, die wir nicht brauchen, da haben wir uns gedacht, dass man einen Aufruf machen kann, Pfingstmontag, dass jeder noch mal kommen und sich noch mal was mitnehmen darf.

Zündfunk/TR: Ein Schlaglicht ist ja auch noch die Diversität hier nicht nur hier so in großen Lettern für das Internet oder für Poster propagiert hat, sondern auch gelebt habt, ich zum Beispiel war regelmäßig auch Gast im Garry Klein, dem queeren Mittwoch bei euch, wo ich neulich, glaube ich, mehr Dragqueens gezählt habe als normale "Besucher".
Und ich dachte mir, wo laufen die Leute danach denn nur alle hin?
Einige Abende werdet ihr auch auslagern in andere entsprechende Harry-Klein-kompatible Läden. Es wandert was in die Rote Sonne, ins Blitz wandert was so - so richtig stirbt das Harry Klein ja dann gar nicht oder?

Peter Fleming: Genau, das Garry Klein wandert in die Rote Sonne. Mir wäre da persönlich was abgegangen, wenn wir diese Party nicht weiter veranstaltet hätten und tatsächlich gab auch viele Bewerber*innen, die diese Veranstaltung natürlich gerne genommen hätten.

Zündfunk/TR: Also auch wenn es das Harry nicht mehr als Location gibt, hat sich die Marke doch dann verselbstständig oder?

David Süss: Ja, aber auch diese Sachen gehen schnell vorbei, in fünf bis zehn Jahren sagen dann die Leute, "ich weiß noch im Harry..." oder "ach, weißt noch im alten Harry?" - da bleibt schon was übrig, man trägt was im Herzen. Man hat was angestoßen, was "passiert" ist, aber irgendwann ist es dann finde ich auch gut, da würde ich den Blick immer nach vorne richten und sagen: Was kommt denn Neues und gibt es die Möglichkeit hier in der Stadt überhaupt, dass neue Sachen entstehen?
Das ist so das, für was ich jetzt gerade brenne.

Danke für den Beat.