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Queeres Kino Der Film "Besties" erzählt über Liebe, die unmöglich scheint

Sommer in einem Pariser Vorort. Die Regisseurin Marion Desseigne Ravel erzählt in "Besties" eine moderne und sehr raue "Julia und Julia"-Variante. Eine kleine Perle des jungen queeren Kinos aus Frankreich.

Von: Sandra Limoncini

Stand: 06.07.2023

Szenen aus dem Film Besties | Bild: Denis Manin

Wenn Amseln sich verlieben, dann immer in den Gesang einer anderen Amsel. Aussehen, Alter – alles egal. So geht es auch Nedjma, die in einer Mädchenclique ist. Sie verliebt sich in Zina. Sie lernen sich in einem Jugendzentrum in einer Banlieue in Paris kennen, Zina singt dort spontan einen Song, weil die Sozialarbeiterin, die die Mädchen betreut, ein Musik-Quiz initiiert.

Als Zina singt, schaut Nedjma sie nur kurz an. Bäm. Das war’s. Verliebt, verlobt, verheiratet. Natürlich nicht. Die Geschichte spielt in der Jetztzeit. Die beiden Mädchen sind in zwei verfeindeten Mädchen-Cliquen unterwegs. Da wird sich geprügelt, auch mal nur um den Platz auf einer Parkbank. Revierkampf wie bei Hunden oder Löwen. Und die Girls sind dabei alles andere als zimperlich.

Verbotene Liebe

Zina will Nedjma nicht schlagen. Weil, ja eben. Weil da etwas ist zwischen den Beiden. Wie in "Romeo und Julia" oder "West Side Story". Liebe, die unmöglich scheint. Zwei Menschen die sich mögen, aber die Umstände sind schwierig. Nedjma lebt mit ihrer kleinen Schwester und ihrer Mutter in einer engen Wohnung. Nedjma teilt sich das Zimmer mit ihrer Schwester. Sie hat keinen Job. Die Mutter ist liebevoll, wirkt aber immer müde und abgearbeitet. Versucht gleichzeitig alles, damit es den Mädchen gut geht.

Nedjma ist die eigentliche Protagonistin des Films. Es geht hauptsächlich um ihre Situation, ihre Gefühle. Die Clique, ihre Freundinnen sind ihre Stütze, Familienersatz. Viel hat Nedjma nicht. Außer ihrer kleinen Familie und Freundinnen gibt es nicht viel Positives in ihrem Leben. Keine eigene Wohnung, keine Arbeit, kein oder wenig Geld, kleine Abziehereien. Keine Perspektive. Nedjma gibt sich hart und unnachgiebig.

Aber immerhin: Sie ist die Anführerin ihrer Gruppe. Schreitet wie eine Königin durch ihr Viertel, macht High Five mit den Ghetto-Jungs. Sie wird respektiert. Sie hat eine Reputation. "Réputation" bedeute auf Französisch "Ruf"! Und Nedjma hat einen guten Ruf. Sie geht aus in den örtlichen Club. Nedjma und Zina küssen sich dort heimlich, werden zufällig gesehen von den Mädchen aus der Clique. Eine Katastrophe. Alle, die einmal für sie waren, sind jetzt gegen Nedjma , das ganze Viertel. Ihre Freundinnen wollen nichts mehr mit ihr zu tun haben, schließen sie aus dem Urlaub aus.

Sehnsucht nach Zärtlichkeit

Der Film verzichtet auf Klischees. Nedjma ist arm, arbeitslos, dann auch noch drogensüchtig, aber nicht straffällig. Sie lebt ein Leben wie viele Jugendliche und junge Erwachsene in den Banlieues von Paris. "Besties" zeichnet ein realistisches Bild einer Parallelgesellschaft in Frankreich; zeigt aber auch den strukturellen Rassismus und die Homophobie der eigenen Leute dort. Den Druck, den du aushalten musst, wenn du in deiner Gruppe bestehen willst. Du musst nach außen hart sein.

Nedjma sagt selber: "Nur Nieten sind weich". Dabei möchte sie weich sein. Traut es sich aber nicht. Denn dann geht ihr gesamtes Leben den Bach runter. In "Romeo und Julia" oder "West Side Story" sterben die Protagonisten. Ob Nedjma und Zina sich lieben dürfen, ob ihre Liebe, die einfach nicht ins System passt, sein darf, das wird hier nicht gespoilert. Aber so viel noch: Es gewinnt immer der, der mehr will.