Bayern 2 - Zündfunk

Meinung Sophie Passmann, was ist nur los bei Dir?

Der neue Podcast von Joko Winterscheidt und Sophie Passmann "Sunset Club" ist gähnend langweilig. Zündfunk Autorin Sandra Limoncini wundert sich, wo Passmans Wut geblieben ist, ihre klugen und scharfen Analysen. Ist sie einfach erwachsen geworden? Oder ist sie inhaltlich nicht weiter über sich hinausgewachsen?

Von: Sandra Limoncini

Stand: 25.05.2023

Sophie Passmann und Joko Winterscheidt stecken die Köpfe zusammen, halten Händchen und blicken in die Ferne. | Bild: dpa-Bildfunk/Seven.One Entertainment Group

Sophie Passmann war die Stimme einer ganzen Generation. Geboren in dem Ort, in dem ich zufälligerweise aufgewachsen bin. Kempen am Niederrhein. Vielleicht habe ich sie deshalb immer mit großem Wohlwollen verfolgt. Ich hab sie auch mal interviewt. Ich mag sie. Sophie Passmann ist klug, schlagfertig und hat sich viele Jahre für gendergerechte Sprache, feministische Ziele, Umweltschutz und noch viele andere relevante Themen eingesetzt, gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Rassismus hat sie gekämpft. Sie hat auf Insta über 300.000 Follower. Sie hat den Grimmelshausenpreis bekommen, den Grimme-Preis, den Nannen-Preis und war für den deutschen Radiopreis nominiert. Alter, was soll ich sagen: one million Elvis fans can‘t be wrong!

Von der scharfen Beobachterin zur gelangweilten Promi Podcasterin?

Also, die kann echt was - aber was macht die da grad?! Dieser neue Podcast "Sunset Club" mit Joko Winterscheidt ist wirklich ... schlecht. Tut mir Leid. Es geht schon damit los, dass Sophie und Joko ausufernd darüber reden, wie sie sich zum ersten Mal getroffen haben. Mit teurem Wein, teuren Restaurant und mit einem Sternekoch. Es gibt nichts Langweiligeres, als zwei prominenten Menschen dabei zuzuhören, wie sie sich kennengelernt haben. Man fühlt sich sofort ausgeschlossen. Das ist wie mit Seglerinnen den ganzen Abend an einem zu Tisch zu sitzen oder mit Golfern. Absolut furchtbar für Außenstehende, die nicht zu der exklusiven Gemeinschaft gehören. Denn die Hörer sind keine Fernseh-Promis, die in Berlin-Mitte sitzen und teuren Rotwein schlabbern.

Die reden fast nur über sich, die Idee des Podcasts und Pickel-Ausdrück-Videos. Sie sind ehrlich, das ist sympathisch und man mag die beiden irgendwie auch. Aber es ist unfassbar irrelevant. Man erfährt nichts, was wirklich wichtig ist, was einen im Leben nach vorne bringt. Es ist ein bisschen wie beim Urologen in der Bunten zu blättern und festzustellen, was alles so in der reichen Welt passiert und was man eine Nanosekunde danach wieder vergessen hat. Ich habe aus dieser Stunde Podcast nichts mitgenommen und das will was heißen, denn ich habe ein top Gedächtnis für unbrauchbares Zeug. Ich sag's wie es ist: Die Beiden sind nicht prominent genug, dass ihr Gequassel für Promi-Gossip reicht und nicht interessant genug, um inhaltlich zu überzeugen.

Passmann schämt sich für ihre teils beleidigende Tweets

Sophie Passmann ist am Anfang durchaus klar. Sie sagt in den ersten Minuten der Podcast-Folge, dass Deutschland, beziehungsweise, die Bubble von Joko - also halb Deutschland, eine falsche Idee von ihr hätte. Vielleicht möchte sie da was geraderücken. Passmann hat schon in mehreren Interviews gesagt, sie bereue viele Dinge, die sie in den sozialen Medien über andere Menschen gepostet habe. Im Podcast sagt sie, dass sie sich bei Events oft frage: "Was habe ich über diese Person eigentlich alles schlechtes getwittert? So ein bisschen schäme ich mich dafür. Und mir ist es ein bisschen unangenehm, diesen krawalligen Zwanziger in der Öffentlichkeit gemacht haben zu müssen".

Meine Oma hat immer gesagt: "Schätzelein, man trifft sisch immer zweimal im Leben". Und meine Oma kam auch wie Sophie Passmann aus dem Rheinland und was soll ich sagen. Sie hatte recht. Auf Twitter Menschen zu demütigen, ist zu einfach. Im richtigen Leben muss man damit leben, dass diese Menschen einem gegenüberstehen. Und Verantwortung übernehmen, für das Zeug, dass man dann so verzapft hat. Da kann ich nur sagen Herzlich Willkommen, liebe Sophie. Dass das keinen großen Spaß macht, über die verbrannten Felder zu gehen, die man hinterlassen hat, kann ich mir gut vorstellen. Aber Sophie Passmann ist schlau und reflektiert genug, um auch das zu wissen.

Nur noch amüsiert statt wütend

Sie hat selber in einem Interview gesagt, sie sei halt nicht mehr wütend und 23 Jahre alt, sondern amüsiert und 28 Jahre alt, genieße aber auch das Privileg, zum Inventar der guten Ecken des Internets zu gehören. Und das scheint sie auch zu leben. Sie macht sich lustig über den Lifestyle, den sie selber mittlerweile führt. Es gibt nicht wenige Fotos von ihr im Netz, mit Naturwein in der Hand, in irgendwelchen Cafés in Berlin-Mitte. Diese Selbstbespiegelung der Mitte-Blase ist auch nicht das Problem. Sondern die Haltung, die sie jetzt dazu hat. Blöd, irgendwie, wenn man jahrelang den saturierten Lifestyle der „Erwachsenen“ belächelt und darüber lästert und jetzt, wenn man selber erwachsen ist, in die gleichen Restaurants geht und sich den teuersten Wein auf der Karte bestellt. Macht halt auch Spaß und schmeckt gut. Wenn man es sich leisten kann - und das kann sie jetzt.

Sophie Passmann ist eine wirklich gute Journalistin. Sie ist top vorbereitet, macht interessante Interviews und ist thematisch immer auf der Höhe, woke und politisch so gebildet, dass sie sich von ihren Interviewpartnern nichts gefallen lässt. Aber sie ist nicht mehr wütend und kämpferisch, sondern käuflich und bequem geworden. Vielleicht war‘s ihr zu anstrengend, aber ich finde es schade. Wütend mochte ich Sophie Passmann lieber.