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Das Thema Theorien

Stand: 12.11.2013 | Archiv

Während das diagnostische Profil weitgehend fest umrissen erscheint, liefert die Ursachenforschung noch lange kein einheitliches Bild.

Ursachenforschung - Erklärungsansätze zur Narzissmusgenese

Derzeit konkurrieren im Wesentlichen drei hypothetische Erklärungsmodelle zur Entstehung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

1. Die "Frustrationstheorie"

Einer ersten, breit akzeptierten These zufolge entwickelt sich eine narzisstische Persönlichkeit, wenn die gelernte Erwartungs- und Wunscherfüllungshaltung übermäßig "verhätschelter", "verzogener" und "umsorgter" Kinder mit der Realität des Erwachsenenalters kollidiert. Die narzisstische Persönlichkeit hat keinen angemessenen Umgang mit Kränkungen, Demütigungen und Frustrationen eingeübt. Sie fordert von ihrer Umwelt auch als Erwachsener ein, was das Kind als Selbstverständlichkeit gelernt hat. Narzissten erwarten demnach, dass ihre Wünsche unmittelbar und automatisch erfüllt werden, sind es nicht gewöhnt, auf ihr vermeintliches Vorrecht und eine als normal empfundene Sonderbehandlung zu verzichten.

2. Die "Abwehrtheorie"

Ein zweiter Ansatz geht davon aus, dass die narzisstische Persönlichkeit versucht, ein äußerst brüchiges Selbstwertgefühl durch ein immenses Größengefühl zu kompensieren. Das Bestreben, sich nicht minderwertig, schwach, unterlegen und abgelehnt zu fühlen, führt zu seelischen Strategien, die das eigene Selbst als überlegen, einzigartig und hervorgehoben inszenieren. Als Auslöser gelten Erfahrungen, die das Selbstwertgefühl durch massive Kränkungen, Zurücksetzungen und Missachtungen angreifen. Um die unentwegt drohende Destabilisierung des Selbstgefühls abzuwehren, wird die eigene Bedeutung dauerhaft überhöht.

3. Die "biologische Theorie"

Ein drittes Erklärungskonzept sucht nach physiologischen Ursachen für die Ausbildung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Diskutiert werden dabei erbliche Vorbelastungen, biochemische Funktions-Fehlsteuerungen durch das Fehlen oder den Überschuss bestimmter Botenstoffe (Neurotransmitter) im Gehirnstoffwechsel oder sogar hirnorganische Faktoren. Ob und wie sehr diese bei Depressionen und Angststörungen beobachteten neurohormonellen Einflüsse auch im Bereich narzisstischer Persönlichkeitsstörungen eine Rolle spielen, ist nicht nachgewiesen.


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