Bayern 2 - radioWissen


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Download-Service Einsatz im Unterricht

Stand: 12.11.2013 | Archiv

Vorarbeit

Lernziele: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit dem Phänomen der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung auseinander. Ausgehend vom maßgeblich durch Ovid gestalteten Narcissus-Mythos erkunden sie das Spektrum krankhaft narzisstischer Verhaltensmuster und Charakterstrukturen. Sie werden mit der Symptomatik, den in der Forschung diskutierten Entwicklungskonzepten und den seelischen sowie psychosozialen Risiken bzw. Folgeschäden der Erkrankung vertraut. Sie diskutieren die These, ob der Narzissmus tatsächlich auf dem Vormarsch ist, und wie oftmals behauptet, zu den medial geschürten Begleiterscheinungen der modernen Massenkultur gehört. Im Fokus der Betrachtung stehen dabei Phänomene wie Casting-Shows (z.B. 'Germany's Next Top Model' oder 'Deutschland sucht den Superstar'), die IT-Girl-Kultur (z.B. Paris Hilton) und ein allgemeiner Trend zur ungehemmten Selbstdarstellung in Reality Soaps. Höhere Jahrgänge können die Frage anschließen, ob unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ein Klima schafft, das narzisstische Haltungen fördert bzw. sogar ausdrücklich einfordert.

Hinführung zum Thema: Mehrere thematische Einstiegsvarianten sind denkbar:
TV-Narzissten: Die Lehrkraft fragt Erfahrungen mit Sendungen wie 'Deutschland sucht den Superstar', 'Germany's Next Top Model' oder anderen einschlägigen Formaten ab. Die Schüler sollen über ihre Wahrnehmung der Kandidaten sprechen und Vermutungen über deren Motive anstellen. Falls Begriffe wie "eitel", "arrogant" oder "selbstverliebt nicht fallen", kann die Lehrkraft eine Brücke zum Stichwort "Narzissmus" schlagen.

Bild- oder Sachimpuls: Die Lehrkraft zeigt eine echte Narzisse oder das Bild einer Narzisse und fragt nach dem Namen der (abgebildeten) Blume. Sobald der Begriff "Narzisse" gefallen ist, fragt die Lehrkraft nach der Herkunft des Namens und danach, ob jemand die Geschichte von Narcissus kennt. Die Geschichte wird dann entweder von einem Schüler oder der Lehrkraft erzählt.

Szenischer Einstieg: Schauspielerisch begabte Lehrkräfte könnten ein "Mythenraten" oder "Geschichtenraten" ankündigen, sich vor den Spiegel im Klassenzimmer oder einen mitgebrachten Spiegel stellen und ihr eigenes Spiegelbild "narzisstisch" anhimmeln. Falls die Schüler die Lösung "Narziss" nicht erraten, muss die Lehrkraft eine Brücke bauen. Anschließend werden die Schüler ermutigt, eigene Erfahrungen mit übertriebener Eitelkeit und narzisstischem Verhalten zu berichten. Sie sammeln Merkmale und Reaktionen: "Wie fühlt es sich an, wenn Leute immer nur auf sich selber schauen, wenn man herunter geputzt wird, wenn andere dauernd von der eigenen Schönheit, der eigenen Bedeutung sprechen…?"

Die Sendung im Unterricht

Hören: Um auf das engere Thema und den Radiobeitrag überzuleiten, werden der Begriff Narzissmus, die gesammelten Merkmale und Reaktionen auf der Tafel festgehalten. Vor dem gemeinsamen Hören des Radiobeitrags wird die Klasse aufgefordert, besonders gut darauf zu achten, welche der angesprochenen Themen und Begriffe in der Sendung auftauchen.

Nacharbeit

Nachbearbeitung: Arbeitsblatt 1 trägt die im Beitrag genannten Merkmale einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zusammen. Die zentralen Begriffe werden nochmals genannt und durch das Unterstreichen verankert. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgabe in Stillarbeit. Nach der Erarbeitungsphase werden die Ergebnisse zusammengetragen, auf den Arbeitsblättern ergänzt und fixiert. Arbeitsblatt 2 vertieft die Betrachtung der narzisstischen Innenwelt und rückt erste Entstehungshypothesen in den Blick. Im Zentrum steht die Frage, welche schmerzhaften Erfahrungen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung auslösen können und welche Strategien die Psyche entwickelt, um weitere Schmerzerlebnisse zu verhindern. Nach der Erarbeitungsphase werden die Ergebnisse zusammengetragen und fixiert. Dabei sollte die Lehrkraft auf die Ambivalenz der narzisstischen Persönlichkeitsstruktur (einerseits Minderwertigkeitsgefühle, Versagens- und 'Ungenügensängste', andererseits Größenfantasien und Perfektionismus hinweisen) und auf den seelischen Mechanismus der Kompensation schmerzhafter, angstbehafteter Erlebnisse hinweisen. Arbeitsblatt 3 beleuchtet die problematischen Beziehungsmuster massiv narzisstischer Menschen. Ausgangspunkt ist die im Beitrag geschilderte narzisstisch-histrionische Konstellation. Sie wird anhand der abgedruckten Texte erarbeitet. Darüber hinaus festigt das auszufüllende Arbeitsblatt nochmals zentrale Merkmale einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Arbeitsblatt 4 ist ein Kreuzworträtsel, das zentrale Begriffe des Radiobeitrags abfragt und sichert. Die Bearbeitung kann im Klassenverband, in Gruppen oder als Hausaufgabe erfolgen.

Ergänzung, Fortführung: Abschließend kann die Klasse das Einstiegsmotiv "TV-Narzissmus" erneut aufgreifen und die Frage erörtern, ob und in welchem Grad es sich dabei tatsächlich um "Narzissmus" oder lediglich um "narzisstische" Wesenszüge handelt, und wo die Grenze zwischen beiden Phänomen ("normaler Alltagsnarzissmus" im Unterschied zur psychischen Erkrankung) verläuft. Denkbar wäre es auch, die Frage zu diskutieren, ob, wodurch und warum unsere Gesellschaft zunehmend narzisstisch geprägt ist.

Lehrplanbezug

Lehrplan für das bayerische Gymnasium
Ethik, 11.2.1 Psychologie und Soziologie.
Die Schüler lernen ethisch relevante Erkenntnisse der Psychologie und Soziologie zur Determiniertheit und Freiheit des menschlichen Verhaltens kennen. Anhand von grundlegenden Aussagen der Soziologie und der Sozialpsychologie denken die Schüler über Abhängigkeiten und Freiheitschancen des Menschen in der Gesellschaft nach. Sie erkennen in diesem Zusammenhang, welche Gegebenheiten menschliches Handeln beeinflussen, und setzen sich dabei mit verschiedenen Ansätzen der Sozialisationsforschung auseinander.
11.2.2 Naturwissenschaften: Biologie und Physik. Die Schüler machen sich mit Aussagen der Neurobiologie zur Frage von Freiheit und Determination vertraut. Sie diskutieren, inwieweit sich daraus Folgen für Normen und die moralische Bewertung menschlichen Handelns ergeben. Die Schüler lernen einige wichtige Gedanken der modernen Physik kennen, durch die das mechanistische Weltbild in Frage gestellt wird. Neurobiologie und die Steuerung des Verhaltens; philosophische Kritik der Aussagen der Neurobiologie: die Geist-Gehirn-Problematik.
Evangelische Religionslehre, 11.1
Was ist wahr? - Wahrnehmung und Wirklichkeit. Ausgehend von der Frage, wie menschliche Wahrnehmung funktioniert, vergleichen die Schüler unterschiedliche Modelle der Wahrnehmung und Erkenntnis. Fragen der Wahrnehmung, Vermittlung und Beschreibung von Wirklichkeit reflektieren.
11.4 Gesund und heil?– Das Leben angesichts der Unvollkommenheit. Die Schüler nehmen eigene und gesellschaftliche Vorstellungen von Gesundheit und Leistungsfähigkeit in den Blick und bringen sie mit christlichen Impulsen zum Umgang mit Krankheit und Endlichkeit ins Gespräch. im Themenfeld Gesundheit menschliche Sehnsüchte, gesellschaftliche Ideale und ihre Brüchigkeit wahrnehmen und die damit verbundenen Vorstellungen vom perfekten Leben hinterfragen; irdisches Leben als fragmentarisches Leben in Begrenzung durch Körperlichkeit, Endlichkeit, Eingebundenheit in die Zeit usw.; Leben mit persönlichen Einschränkungen.
Katholische Religionslehre, 11.4 Der Mensch im Horizont des Gottesglaubens: christliches Menschenbild. Eng verbunden mit der Frage nach Gott ist die Frage nach dem Menschen selbst. Ausgehend von Selbstverwirklichungsangeboten in der heutigen Gesellschaft erkennen die jungen Erwachsenen Grundaspekte des Menschseins und deuten diese aus der Sicht der Moderne […]. Lebensstile und Sinnoptionen in der Gesellschaft: Ausdruck von Grundaspekten des Menschseins und seiner Ambivalenz, z. B. Liebe und Aggressivität, freier Wille und Determination, Glück, Gelingen und Schuld. Der Mensch - sich selbst eine Frage: Sinnentwürfe und Menschenbilder, Deutung des Menschseins in der Moderne: Psychologie oder Naturwissenschaft, z. B. menschliche Freiheit aus der Sicht der Hirnforschung.


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