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Die Nürnberger Gesetze Das Thema

Stand: 06.09.2010 | Archiv

Schon in der Spätantike prägte sich innerhalb des Christentums eine grundsätzliche Feindseligkeit gegenüber den Juden aus. Ihnen wurde die Schuld für den Tod Jesu Christi gegeben. Religiöse, gesellschaftliche und ökonomische Motive wurden zu Auslösern für die soziale Ausgrenzung von Juden und ihre mitunter brutale Verfolgung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit.

Eine neue Qualität erreichte die Judenfeindlichkeit im 19. Jahrhundert, als man begann, Juden als eigene Rasse und Nation zu betrachten und damit als Gefahr für die sich herausbildenden europäischen Nationalstaaten.

Antisemitismus als Weltanschauung

Besonderen Einfluss bekam das 1881 von dem deutschen Philosophen und Nationalökonomen Karl Eugen Dühring veröffentlichte Buch "Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage. Mit einer weltgeschichtlichen Antwort". Schon der Titel unterstellte die Existenz einer jüdischen Rasse. In dem Werk stellte Dühring das Verhalten, Empfinden und Denken der Menschen als Folge ihrer Rassenzugehörigkeit dar, die er für unveränderlich erklärte. Die Juden beschrieb er als "eines der niedrigsten und mißlungensten Erzeugnisse der Natur" und als Feinde der deutschen Nation. Auch der angesehene, in Berlin lehrende Historiker Heinrich von Treitschke schrieb der sogenannten "Judenfrage" nationale Bedeutung zu. Er prägte 1879 in einem Aufsatz das Wort: "Die Juden sind unser Unglück".

Der britisch-deutsche Kulturphilosoph Houston Stewart Chamberlain stellte in seinem Hauptwerk "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" (1899) die Juden als bedrohliche "Gegenrasse" der arischen germanischen Rasse dar. Während er den Germanen schöpferische Fähigkeiten zuschrieb, charakterisierte er die Juden als niederträchtig. Chamberlains Schwiegervater, der Komponist Richard Wagner, sprach in seiner Schrift "Das Judentum in der Musik" (1850) Juden die Fähigkeit ab, sich künstlerisch mitzuteilen.

Entstehung des modernen Antisemitismus

Dühring, von Treitschke, Wagner, Chamberlain und andere propagierten eine vermeintlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Vorstellung von den Juden als Rasse mit negativen Eigenschaften. Sie wurden so zu Wegbereitern einer neuen Art der Judenfeindlichkeit, für die seit 1879 der Begriff "Antisemitismus" kursierte. Ihre Werke trugen dazu bei, dass der Antisemitismus sich in der Bevölkerung des Deutschen Reichs verbreitete. Als Weltanschauung, die sich auch aus christlichem und nationalem Gedankengut speiste, den Juden einen "Hang zur Ausbeutung" und den "Drang zur Weltherrschaft" unterstellte und die "Lösung der Judenfrage" forderte. Die Juden wurden mit den als negativ empfundenen Folgen der gesellschaftlichen Modernisierung in Verbindung gebracht, vom Kapitalismus bis zum Sozialismus.

Mit der Gründung der "Christlich-sozialen Arbeiterpartei" durch den protestantischen Berliner Hofprediger Adolf Stoecker im Jahr 1878 wurde der Antisemitismus im Deutschen Reich zu einer Bewegung, die zunächst in vielen kleinen Parteien und Vereinen organisiert war. Ziel der Antisemiten war die Rücknahme der rechtlichen Gleichstellung der Juden, die im Deutschen Reich seit seiner Gründung 1871 gewährleistet war. Eugen Dühring, der sich zu Gute hielt, "die Judenfrage" als erster als ein Problem der Rasse dargestellt zu haben, forderte für die Juden als "Ausnahmestamm" Ausnahmeverhalten und Ausnahmegesetzgebung". Andere antisemitische Forderungen hinsichtlich des Umgangs mit den Juden lauteten "Ausmerzen" und "Entjudung".


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