Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. April 1913 Woodrow Wilson weiht Woolworth-Zentrale ein

Mit 241 Metern war es eine Zeit lang das höchste Gebäude der Welt: Das Woolworth Building am Broadway in Manhattan. Sein Eigentümer: der Unternehmer und Kaufhauskettengründer Frank Winfield Woolworth, der es sich nicht nehmen ließ, den 13,5 Millionen US-Dollar teuren Bau in bar zu bezahlen. Autorin: Susanne Hofmann

Stand: 24.04.2023 | Archiv

24 April

Montag, 24. April 2023

Autor(in): Susanne Hofmann

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Na, wie wär’s? Lust auf eine Eigentumswohnung am New Yorker Broadway mit Panorama-Blick über Lower Manhattan und den Hudson River? Für rund 60 Millionen Dollar gehört es Ihnen: ein Penthouse in luftiger Höhe in einem der schönsten Wolkenkratzer New Yorks. Als der Turm erbaut wurde, Anfang des 20. Jahrhunderts, galt er als 8. Weltwunder: Mit seinen 57 Stockwerken und 241 Metern überragte er alle anderen Hochhäuser und war damit das höchste Gebäude der Welt. Dieser Turm kratzt die Wolken nicht, er begrüßt sie - schwärmte ein Zeitgenosse.

Architektonische Ikone

Gut, inzwischen stellen ihn dutzende andere in den Schatten, der aktuelle Spitzenreiter unter den Himmelstürmer-Bauten steht in Dubai und ist mehr als drei Mal so hoch. Doch der Architekt Cass Gilbert und sein Auftraggeber, der Kaufhauskönig Frank Winfield Woolworth, wollten mit ihrem Mammutprojekt im Jahr 1913 nicht nur rein physisch hoch hinaus. Das Woolworth-Gebäude sollte eine Ikone werden, ein architektonisches Juwel - und zugleich eine gigantische Werbetafel für Woolworths sagenhaften Erfolg: Er, Kind eines Kartoffel-Farmers, hatte es geschafft. Mit 300 Dollar geliehenem Startkapital war er zum Gründer der ersten Kaufhauskette und damit zum Multimillionär geworden. Sein Geschäftsmodell: In seinen 5-und-10-Cent-Läden verkaufte er Haushaltwaren und allerhand Krimskrams für eben jeweils fünf oder zehn Cent. Die Ware lag - ein Novum - offen aus und die Kunden konnten sie in die Hand nehmen.

"Kathedrale des Kommerz"

Das architektonische Denkmal, das er sich setzen ließ, dieses Monument des Kapitalismus, hat aber mit Ramschware so gar nichts gemein.
In seinem Inneren war alles auf modernstem technischen Stand - mit den damals schnellsten Aufzügen der Welt, einem dampfbetriebenen Heizungssystem und einer raffinierten Wasserversorgung, die das Brauchwasser zum Großteil wiederaufbereitete. Und äußerlich war dieses Wunderwerk der Technik dem Stil des britischen Parlamentsgebäudes nachempfunden. Die Fassade aus elfenbeinfarbenem Terrakotta, verziert mit gotisch anmutenden Spitzbögen, Wasserspeiern und Ecktürmchen. Das hatte etwas Erhabenes. Und die kreuzförmige, mit Marmor ausgekleidete und einem goldglänzenden byzantinischen Mosaik überwölbte Eingangshalle des Turms gilt noch immer als eine der prunkvollsten in New York. Und so hatte das Gebäude denn auch schnell seinen Spitznamen weg: "Kathedrale des Kommerz". Errichtet aus den Gewinnen von Woolworths 5-und-10-Cent Kaufhauskette für 13,5 Millionen Dollar. Das entspricht heute ungefähr einer Milliarde Dollar.

Nach drei Jahren Bauzeit war es am 24. April 1913 so weit. Abends um Punkt 19.30 Uhr drückte US-Präsident Woodrow Wilson im Weißen Haus im fernen Washington auf einen Knopf. Damit löste er ein Telegrafensignal aus, das auf einen Schlag 80.000 elektrische Glühbirnen im Woolworth Gebäude anknipste. Von außen wurde es mit Flutlicht beleuchtet. Das 8. Weltwunder erstrahlte in Weiß und Grün, seinen bis heute charakteristischen Farben. Das war der Auftakt zu einem rauschenden Einweihungsfest. Bezahlt hat der Selfmademan Woolworth sein Hochhaus übrigens ins bar. Auch das muss ihm heute erstmal einer nachmachen.


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