Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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27. Oktober 2011 Der Meisterfälscher Beltracchi wird verurteilt

Wie viele Meisterwerke er gefälscht hat, ist unklar. Verurteilt wurde er für 14 Fälschungen: Wolfgang Beltracchi, einer der berühmtesten Kunstfälsche seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. So gekonnt ahmte künstlerische Handschriften von Maler nach, dass er auch anerkannte Experten täuschte. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 27.10.2022 | Archiv

27 Oktober

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ein Schalk, ein Schelm, ein Aufklärer? Oder doch bloß ein Scharlatan, ein geldgeiler Ganove? Wolfgang Beltracchi, das ist so eine Sache. Für den Staatsanwalt ist er ein Straftäter. Ein Betrüger, der gutgläubige Käufer um Millionen prellt. Seine Fans feiern ihn als Fälschergenie, das einen scheinheilig-habgierigen Kunstmarkt bloßstellt.

Ein Chamäleon der Kunst

Stimmt alles. Irgendwie. 40 Jahre lang malt Beltracchi Bilder, die er als verschollene Werke großer Meister ausgibt. Braque, Picasso, Pechstein - er hat sie alle drauf. Das Kunstchamäleon ahmt Stil, Technik, Themen, kurz die komplette Handschrift seiner Vorbilder verblüffend gut nach. So gut, dass selbst ausgewiesene Kenner die Täuschung schlucken. Helene Beltracchi, Gattin, Zwillingsseele und Legendenstrickerin des Pinselplagiators, platziert die Werke auf dem Markt. An die 300 Großkunstblüten kommen im Lauf der Zeit zusammen, dafür sacken das Pärchen und zwei Spießgesellen vermutlich zwischen 20 und 50 Millionen Euro ein.

Was gibt es da zu deuteln? Beltracchi hat betrogen: Bewusst, gewerbsmäßig, zur Finanzierung von Saus & Braus. Schon, ja! Aber. Seine Bilder hängen nicht in Mietskasernen. Er hat keinen Kleinsparer ruiniert, keiner Oma das Geld aus der Tasche geluchst. Beltracchis Opfer sind Sammler, Investmentfonds und Kapitalanleger, die mit Kunst spekulieren wie andere mit Währungen, Immobilien oder Rohstoffen. Auf diesem Markt macht der Name den Preis: wo Picasso draufsteht, muss Picasso drin sein.
Für die geforderte Echtheit bürgen Händler und Auktionshäuser durch aufwendige Gutachten und Herkunftsnachweise. Beltracchi trickst beide Instanzen mit alten Leinwänden, Originalfarben und perfekter Maltechnik gekonnt-gerissen aus.

Den Rest erledigt die Geschichte einer vor den Nazis geretteten Privatsammlung, die Helene Beltracchi von ihrem Großvater erbte und nun Stück für Stück verkauft.
Oh jauchzet, frohlocket! Eine alte Sammlung, verschollene Meisterwerke, mehrfach geprüft und beglaubigt, davon träumt das Kunstgeschäft. Alle gieren nach einem Stück vom Königskuchen. Beltracchi und die Verwertungskette scheffeln Millionen.

Aus Kunst wird Schrott

Solange, bis der Schwindel auffliegt. 2010 verwendet Beltracchi versehentlich ein Weiß, das es zur angeblichen Entstehungszeit nicht gab. Aus dem Verdacht wird Gewissheit, Experten entlarven 14 Gemälde als Fälschung. Was kurz zuvor Kunst war, ist jetzt nur noch Schrott. Hängt den Schuft!

Vorhang auf für den größten Kunstfälscherprozess der Gegenwart: Beltracchi gesteht, das freut die Richter, weil es das Verfahren verkürzt. So fällt das Kölner Landgericht am 27. Oktober 2011 ein recht mildes Urteil. Beltracchi muss sechs Jahre absitzen, seine Komplizen jeweils vier, alles im offenen Vollzug.

Recht ist gesprochen, der Vorhang gefallen. Nur wir runzeln noch immer die Stirn: Schalk oder Gauner, Schelm oder Schurke? Echt schwierig. Aber vielleicht müssen wir auch gar keine Meinung haben. Vielleicht genügt uns ja, was das Kunstchamäleon dem Gericht als Schlusswort zuwirft: "Danke, dass alles so fair und locker war und dass Sie so oft gelächelt haben".


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