Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13.06.1898 William Ramsay isoliert das Edelgas Neon

Neon ist eines der häufigsten Elemente des Universums, aber auf der Erde eher selten. Deswegen brauchte es den Chemiker William Ramsay zu seiner Entdeckung. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 13.06.2018 | Archiv

13 Juni

Mittwoch, 13. Juni 2018

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

"Die Entdeckungen, die mir zur höchsten Ehre des Chemienobelpreises verholfen haben, scheinen mir das Ergebnis von Umständen zu sein, auf die ich nur teilweise Einfluss hatte", mit diesen Worten beginnt der Schotte Sir William Ramsay seine Dankesrede, als er 1904 mit der Goldmedaille der Wissenschaft ausgezeichnet wird. Entdeckt hat er nicht weniger als fünf chemische Elemente.

Flüssige Luft

Fünf Elemente: So viele kannten auch die alten Griechen. Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Ende des 19. Jahrhunderts ist diese Einteilung längst überholt. In den Mineralien der "Erde" haben Chemiker viele verschiedene Elemente entdeckt. Und dass die Luft aus Sauerstoff und Stickstoff besteht, ist auch schon lange bekannt. William Ramsay glaubt aber, wie andere Fachleute auch: Das ist noch nicht alles. Und hier kommt ihm einer der Umstände zu Gute, auf die er nur teilweise Einfluss hat: Forscher haben Luft verdichtet und entdeckt, dass sie sich abkühlt, wenn sie sich wieder ausdehnen kann. Dieses Spiel kann man so weit treiben, bis die Luft flüssig wird. Sogar kaufen kann man diese sehr kalte flüssige Luft seit Mai 1895, bei der Brin's Oxygen Company in London. Dort ist Ramsay Chemieprofessor am University College und lässt sich mal ein paar Fläschchen flüssige Luft schicken.

Jetzt kann er darin nach weiteren Gasen suchen. Dazu nutzt er einen Trick, den Schnapsbrenner seit Menschengedenken anwenden: Ihr Gebräu aus Alkohol und Wasser erwärmen sie ganz vorsichtig immer weiter. Der Alkohol siedet zuerst, und sein Dampf wird in einem kühleren Gefäß aufgefangen, wo er sich als Flüssigkeit niederschlägt wie Wasser an einer kalten Fensterscheibe. Fertig ist der Schnaps. Mit der flüssigen Luft geht es genauso. Nur dass Ramsay sich nicht für Sauerstoff und Stickstoff interessiert, die als erste verdampfen. Ihm geht es um den Bodensatz. Was das denn sei, dieser Teelöffel voll, der übrig bleibt von einem Liter Luft, will sein Assistent Morris Travers wissen. Ramsays Antwort: "Well, it's a new element".

Neon – neu!

Die beiden stellen schnell fest, dass sie es sogar mit mehreren Elementen zu tun haben, die sie nach und nach mit der Schnapsbrenner-Methode voneinander trennen. Das erste taufen sie nach dem griechischen Wort für "träge" - Argon, der Löwenanteil des behäbigen Bodensatzes. Auch Helium finden sie darin, das Ramsay schon früher in einem Uranmineral entdeckt hatte. Dann geht es Schlag auf Schlag: Krypton, "das Verborgene", taucht auf, und schon eine Woche später noch ein Gas. Zur Feier des Tages lädt Ramsay seinen Assistenten zum Dinner ein, und natürlich schwärmen die beiden von ihrer jüngsten Entdeckung.

Nur ein Name fehlt ihnen noch für das neue Element. "Ihr könnt es ja Novum nennen", witzelt Ramsays 13-Jähriger Sohn. Geht nicht, sagt der Vater, der da keinen Spaß versteht, das ist Latein und diese Gase haben alle griechische Namen. Dann eben Neon, das Neue. So bringen es die beiden Entdecker noch am selben Abend zu Papier. Kurz nach Mitternacht am 13. Juni 1898 werfen sie die Mitteilung an die Königliche Gesellschaft in den Briefkasten. Feierabend. Oder, um den Schluss von William Ramsays Nobelpreisrede zu zitieren: "Danke für die freundliche Aufmerksamkeit, mit der Sie meinen Ausführungen gelauscht haben".


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