Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. August 1850 Wagners "Lohengrin" uraufgeführt

"Mein lieber Schwan" – diese Worte aus Richard Wagners Oper "Lohengrin" sind zur stehenden Redewendung geworden, der Hochzeitsmarsch ein Evergreen, und in Norwegen heißt sogar ein Schokoriegel "Lohengrin". Autor: Frank Halbach

Stand: 28.08.2020 | Archiv

28 August

Freitag, 28. August 2020

Autor(in): Frank Halbach

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Mein lieber Schwan, was für ein Skandal: Elsa von Brabant, eine junge Dame aus bestem Haus, soll ihren eigenen Bruder ermordet haben. Leider sind aber weder findige Ermittler vom Tatort vor Ort, noch eine Ally McBeal. Da bleibt nur eines: ein Gottesgericht – ein Duell Mann gegen Mann. Tatsächlich erscheint im letzten Moment ein ritterlicher Recke, um für Elsa zu kämpfen. Er kommt nicht etwa hoch zu Ross angaloppiert, sondern in einem kleinen Boot angefahren – gezogen von einem Schwan. "Mein lieber Schwan!", singt er und erweist sich damit als Tenor. Nicht nur fechten will der Schwanenritter für Elsa, er bietet auch gleich noch an, sie zu heiraten und stellt nur eine winzig kleine Bedingung: Seine von ihm umgehend gerettete zukünftige Gattin dürfe fortan und überhaupt nie danach fragen, wie er heiße, wer er sei und wo er herkomme. Dass er aus "Glanz und Wonne" käme, müsse genügen.

Hochzeitshit und Schokoriegel

Es ist ein in der deutschen Justizgeschichte außergewöhnlicher Fall, sowohl straf- als auch zivilrechtlich, der sich in Richard Wagners romantischer Oper "Lohengrin" abspielt. Uraufgeführt am 28. August 1850 in Weimar von Franz Liszt. Denn Wagner selbst war verhindert – auch das ist Justizgeschichte: Da er sich prominent an den revolutionären Aufständen von 1848 beteiligt hatte, war er steckbrieflich gesucht und befand sich im Schweizer Exil.

Der ungeheuren Popularität der Oper tat das keinen Abbruch: Als der Kini "Lohengrin" zum ersten Mal sah, war es um ihn geschehen. Der Schwan wurde zum Markenzeichen des Bayernkönigs, und Ludwig II. holte Wagner nach München, um ihn fortan als Mäzen zu fördern.

Mit dem Hochzeitsmarsch aus "Lohengrin" steuerte Wagner den beliebtesten Evergreen ever für Trauungszeremonien bei (singt kurz an) "Ta tata taa, ta tata taa“.

Der beliebteste Schokoriegel Norwegens heißt: "Lohengrin" – und wurde 2009 zum nationalen Kulturgut erklärt.

Mein lieber Schwan

Und welche Oper hat es geschafft, dass eine ihrer Textzeilen zur stehenden Redewendung wurde? "Mein lieber Schwan!“ – ein allgemeingültiger Seufzer, um das Überwältigende des Erzählten hervorzuheben.

So seufzt Lohengrin selbst auch. Denn natürlich will frau irgendwann wissen, wen sie da eigentlich geheiratet hat. Dass ihr Gatte sich als hehrer Gralsritter entpuppt, nutzt Elsa reichlich wenig. Denn die Fragerei war gegen den Ehevertrag, und schon wartet der Schwan, um Lohengrin wieder abzuholen.

Apropos Schwan: Mit dem übte Wagner schon mal die Bühnentechniker zur Verzweiflung zu treiben, bevor er sie im "Ring des Nibelungen“ mit brennenden Götterburgen und grässlichen Drachen in den Wahnsinn trieb. Dressierte Schwäne waren nicht nur äußerst rar, sondern es überstieg definitiv ihre Fähigkeiten, schmerbäuchige Tenöre auf die Bühne zu ziehen. Man baute also Schwan-Attrappen und überlies das Sänger-Ziehen der Kraft und dem Timing der Bühnenarbeiter. Das klappte nicht immer. Der berühmte Tenor Leo Slezak zum Beispiel musste mit ansehen, wie der Schwan auf Schienen fahrend von dannen zog, bevor er in sein Boot einsteigen konnte. Ratlos blickte er ins Publikum und fragte: "Wann geht der nächste Schwan?"


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