Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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10. September 2001 Spionage-Katze Kitty fliegt auf (10.09.2001)

Am 10. September 2001 erfährt die Welt von einer sensationellen Spionage-Operation der CIA: Die unscheinbare Katze Kitty sollte - vollgestopft mit Technik - Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft abhören. Doch die Katze hatte anderes im Sinn. Geheimdienstarbeit war nicht ihr Ding. Autorin: Prisca Straub

Stand: 10.09.2021 | Archiv

10 September

Freitag, 10. September 2021

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Besondere Kennzeichen? Keine! Absolut keine. Und das sind optimale Einstellungsvoraussetzungen für Kitty. - Die grauweiß gemusterte Hauskatze verdient tatsächlich keinen zweiten Blick. Also genau das, was man von einer unauffälligen Top-Spionin erwartet. Ihre Aufgabenbeschreibung: harmlos durch die Grünanlagen in Washington spazieren und dabei das eine oder andere Gespräch belauschen. Diplomaten beim Lunch auf der Parkbank aushorchen. Die sowjetische Botschaft ist schließlich direkt um die Ecke, in Hörweite sozusagen. Es ist Anfang der 1960er, der Umgangston mit Moskau ist bereits scharf geworden - und aus Sicht des US-Geheimdienstes ist eine Katze die ideale Außendienstmitarbeiterin. - Kitty bekommt den Job. Jetzt muss sie nur noch mit der Technik vertraut gemacht werden.

Mikrofon im Gehörgang

Der erste Plan, das Abhörgerät am Halsband unterzubringen, wird rasch verworfen. Zu schwer, zu auffällig. Wohin also mit Mikrofon, Batterie und Antenne? - So sorry, aber Kitty muss unters Messer: Das Mikrofon findet Platz im Gehörgang, die Batterie in der Brusthöhle, die Antenne wird entlang der Wirbelsäule bis in den Schwanz verlegt. "Acoustic Kitty" nennt die CIA das streng geheime Lauschkatzen-Projekt. Und dass Kitty ihre Transformation zum Cyborg so gut wegsteckt, sorgt für Optimismus. Bald verdeckt ihr dichtes Fell die zahlreichen Narben, die Einarbeitung kann beginnen.

Doch das Verhaltenstraining ist aufwendiger als gedacht. Wie lotst man eine Katze zu einem Zielobjekt - und wieder zurück? Kurze Strecken läuft Kitty zwar bald auf Kommando. Doch der Spionin wird unerwartet schnell langweilig - und dann macht sie, was sie will. Strategischer Spürsinn?

Nicht bei Kitty! Und wenn ihr der Appetit in die Quere kommt, ist sie schlicht zu gar nichts mehr zu gebrauchen. Kurzum: Die nationale Sicherheit scheint nicht so ihr Ding zu sein.

Misslungener Lauschangriff

Ihr erster echter Einsatz wird dementsprechend - ein Fehlschlag. In einem konspirativen Wagen wird Kitty vor die sowjetische Botschaft gefahren. Im Visier: zwei russische Mitarbeiter während ihrer Zigarettenpause. Doch Kitty ignoriert alle Befehle, springt aus dem Fahrzeug, rennt über die Straße - und: … wird von einem vorbeifahrenden Taxi erfasst. Die bestürzten CIA-Mitarbeiter haben Mühe, ihre Überreste samt der verdächtigen High-Tech-Innereien möglichst unauffällig von der Fahrbahn zu räumen. Eine andere Version der Ereignisse berichtet allerdings: Kitty bleibt am Leben und wird in ein glückliches, ziviles Leben rücküberführt. In jedem Fall: Ihr erster Einsatz ist auch ihr letzter, die Operation "Acoustic Kitty" wird eingestellt.

Kittys Akte allerdings blieb noch Jahrzehnte unter Verschluss. Erst am 10. September 2001 gab das "National Security Archive" die Geheim-Dokumente frei. Jetzt erfuhr alle Welt, dass Kitty - so wörtlich - "den hochspezialisierten Anforderungen" der CIA nicht genügen konnte. Doch - so heißt es weiter - habe das Projekt immerhin auch eine bemerkenswerte wissenschaftliche Erkenntnis erbracht: Vermutlich seien Katzen im Allgemeinen nicht die richtigen Mitarbeiter für einen anspruchsvollen Geheimdienst.


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