Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. Juli 1878 Spielkartensteuer im Deutschen Reich eingeführt

Manchmal gibt es Full House, manchmal muss man auf die nächste Runde warten, in der Hoffnung mit neuem Blatt den Jackpot zu knacken. Der schrumpft, als der Staat beim Kartenspiel plötzlich mitkassiert.

Stand: 03.07.2018 | Archiv

03 Juli

Dienstag, 03. Juli 2018

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Das Kartenspiel ähnelt dem richtigen Leben. Irgendwer mischt und gibt, woraufhin jeder Spieler sein Blatt hat, das aber oft von recht unterschiedlicher Güte und Schlagkraft ist. Der eine zum Beispiel hat alle Trümpfe auf der Hand, während der andere nur traurig zur Zimmerdecke hinauf blickt, weil er nichts, aber auch rein gar nichts bekommen hat. Anders als im Leben wird beim Kartenspiel öfter mal neu gemischt und gegeben, was auch sinnvoll ist, sonst würde es schnell langweilig werden. Denn es gilt ja die eiserne Regel: Ober sticht Unter, der Max schlägt den Belli, der König den Buben. Und so weiter. Je nach Spiel.

Hauptsache Auftrumpfen!

Grundsätzlich steht beim Karteln auch fest: Der Tarif wird vorher ausgemacht, aber erst nach dem Spiel ausbezahlt. Dass einer bereits vorher kassiert, egal wie das Spiel ausgeht, ist eher unüblich, kommt aber vor - bei der organisierten Kriminalität zum Beispiel. Oder bei Staaten. Dort nennt man es dann Steuer. Ganz neu ist dieses Verfahren übrigens nicht. Schon im Mittelalter besteuerten deutsche Städte diverse Glücksspiele, und in Preußen gab es seit 1714 ein staatliches Spielkartenhandelsmonopol, das  im 19. Jahrhundert durch eine Stempelsteuer ersetzt wurde. Durch das Abstempeln der Spielkarten wurde von der Obrigkeit bestätigt, dass die Gebühren auf das Glücksspiel vorab bezahlt waren.

Auf solch feine Einnahmequelle wollte auch Wilhelm der Erste, "von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc. ", nicht verzichten. Deshalb unterschrieb er ein Gesetz, das am 3. Juli 1878 im Deutschen Reichsgesetzblatt angekündigt wurde. Darin hieß es: "Spielkarten unterliegen einer (…) zu erhebenden, zur Reichskasse fließenden Stempelabgabe. " Für jedes Kartenspiel mit bis zu 36 Blättern wurden künftig 30 Pfennig fällig, für alle anderen fünfzig Pfennig.

Trumpf wird teuer

Steuerpflichtig waren die Hersteller der Karten oder die Importeure, aber die Kosten wurden natürlich an die Endverbraucher weiter gegeben. Was das Karten spielende Volk dazu sagte? "Maumau" vielleicht!? Oder "Bullshit"!? "Bettler"!? "Schweinchen"!? "Arschloch"!? Nun, wir wissen es nicht, aber Majestätsbeleidigung war es wohl so oder so nicht, weil all diese Ausdrücke nur für diverse Kartenspiele stehen. Und die sollten, sofern sie damals schon gespielt wurden, dem Kaiser ja gutes Geld einbringen.

Und Schimpfen hätte den Zockern ohnehin nicht viel geholfen, denn beim Steuerzahlen gilt wie beim Kartenspiel: Ober sticht Unter, König schlägt Belli. Und der Kaiser? Tja, der schlägt alle. Nicht zuletzt das Volk, was bei Wilhelm dem Ersten durchaus wörtlich zu nehmen war. Nicht umsonst wurde er der "Kartätschenprinz" genannt, seit der blutigen Niederschlagung der Revolution von 1848/49.

Kaiser hin, König her - nicht nur Monarchien brauchen Geld, weshalb die Zockersteuer auch in der Weimarer Republik weiterhin zu zahlen war. Bei jedem verkauften Satz Spielkarten wurde dem Herz-As also ein Stempel aufgedrückt, auch nach 1949 noch, zu Zeiten der Bundesrepublik Deutschland. Viel gebracht hat diese Bagatellsteuer dem Staat am Ende nicht mehr - schlappe acht Millionen D-Mark im Jahr. Kein Wunder also, dass der Gesetzgeber bald keine Lust mehr hatte auf das Spiel mit dem Stempel. Mit Beginn des Jahres 1981 wurde die Spielkartensteuer endgültig abgeschafft.


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