Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. März 1975 Queen Elizabeth II. schlägt Charlie Chaplin zum Ritter

Es glückte erst im zweiten Anlauf für Charlie Chaplin, das mit dem Ritterschlag. Einmal hatte man das Angebot schon zurückgezogen. Der Queen gegenüber präsentierte sich der Komiker denn ungewohnt ernst. Der Sache sicherlich angemessen, trotzdem anderes als erwartet: Sir Chaplin. Autorin: Justina Schreiber.

Stand: 04.03.2022 | Archiv

04 März

Freitag, 04. März 2022

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Was hätte ein Komiker wie Charlie Chaplin aus dem royalen Tamtam für eine tolle Slapstick-Nummer machen können! Nur mal so fantasiert: Über jede Stufe und Treppenfranse stolpernd wäre er an der aufgepflanzten Garde vorbeigewatschelt. Ein kleiner Landstreicher, der sich in die Welt des großen Pomps verirrt hat. Sein Spazierstock hätte sich wie von selbst hier in einer goldenen Achselschnur, dort in einer Schulterklappe verhakt. Er hätte steinernen Uniformträgern unpassender Weise, aber dafür umso herzlicher die Hand geschüttelt und vornehmen Damen ziemlich unziemliche Kusshändchen zugeworfen, um das anachronistische Ritual dann vollends ad absurdum zu führen. Auf dem Höhepunkt der Nummer, also face to face mit der Queen, hätte er ihrem Schwert solange nach links und rechts und hin und her ausweichen können, bis Ihre Majestät den Versuch vielleicht aufgegeben hätte, ihn, Charlie Chaplin, zum Sir zu ernennen. Doch Komiker sind eben auch nur Menschen.

Jetzt mal im Ernst

Nichts lag Charlie Chaplin an diesem Tag wohl ferner, als das Zeremoniell zu behindern oder gar der britischen Monarchie einen Spiegel vor die Nase zu halten. Für den gebürtigen Engländer war es die Krönung seines Lebens, als ihn Elizabeth II. am 4. März 1975 zum Ritter schlug. Endlich!! auf den letzten Drücker gewissermaßen, wurde der 85-jährige Komiker zum Knight Commander des Order of the British Empire geadelt. Ohne jeglichen Zwischenfall, soweit bekannt.

Allerdings muss man dazu sagen: es war bereits der zweite Anlauf. Ein erster, 19 Jahre früher, scheiterte auf Grund eines Einspruchs. Peinlich, peinlich. Die Briten nahmen 1956 nämlich glatt wieder Abstand von dem Plan – aus Rücksichtnahme auf die US-Regierung, die Chaplin wegen "unamerikanischer Umtriebe" verfolgte, wo sie nur konnte.

Obwohl (oder weil?) der Komiker in seinen Filmen dezidiert für Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit eintrat, galt er für die USA in der McCarthy-Ära, in der Anfangsphase des Kalten Krieges, für politisch höchstverdächtig, als Kommunistenfreund oder schlimmer noch: als Kommunist.

Chaplin ein Kommunist?

Viele seiner Kollegen in Hollywood teilten dieses Schicksal. Was kein Trost war. Denn: dass sich das eigene Heimatland in die hysterische Hexenjagd hineinziehen ließ und die zum Ritterschlag gewissermaßen schon erhobene Hand der Queen stoppte, kam einer ganz besonderen Kränkung gleich. Das Straßenkind, das Chaplin einmal gewesen war, wurde mit der Nase wieder in den Dreck gestoßen. Auch in den eigenen Dreck. Schließlich griff man zu seiner moralischen Verurteilung auch auf seine zahllosen Frauengeschichten zurück, die genügend schmutzige Wäsche produziert hatten. Von den sexuellen Übergriffen, die sich ein mächtiger Produzent und Regisseur wie Chaplin damals noch unhinterfragt leisten konnte, gar nicht zu reden. Insofern handelte es sich bei dem nun gelungenen Ernennungsakt auch um eine Rehabilitierungsmaßnahme. Um eine Ehren-Rettung von ganz oben. Für seine kulturelle Leistung, für seine Filme, allen voran für "den großen Diktator" hatte Chaplin die Auszeichnung sicher redlich verdient. Dass trotzdem - heute mehr denn je - gewisse Zweifel an seiner Ritterlichkeit bestehen, das ist aus Frauensicht völlig richtig.


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