Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. September 1927 Publicity Stunt des Jack Hylton Orchesters im Flugzeug

Man muss schon auf die Pauke hauen, wenn man gehört werden will. Das dachte sich der US-amerikanische Musikverleger Lawrence Wright und lies ein ganzes Orchester spektakulär abheben, um in luftigen Höhen zu spielen.

Von: Xaver Frühbeis

Stand: 04.09.2019 | Archiv

04 September

Mittwoch, 04. September 2019

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Im Grunde geht es vor allem um eins. Aufmerksamkeit. Wenn Sie möchten, dass die Leute die Sachen, die Sie ihnen verkaufen wollen, fantastisch finden und begeistert zugreifen, dann brauchen Sie zuallererst ihre Aufmerksamkeit. Der Rest - kommt später.

Am 4. September 1929 hat ein Propellerflugzeug die Aufmerksamkeit der Badegäste und Spaziergänger im englischen Seebad Blackpool auf sich gezogen. Es war einer der modernsten Doppeldecker der britischen Luftfahrt, ein ganzes Tanzorchester hatte in ihm Platz, und tatsächlich saß ein ganzes Tanzorchester in dem Flugzeug drin. Es flog sehr niedrig über den Strand und die Promenaden hinweg, und die Leute unten standen Ohren und Mund offen da, denn in dem Flugzeug spielte das heißeste Orchester der ganzen Insel, das von Jack Hylton, den neuesten Song der Saison. "Me and Jane in a Plane".

Überraschung von oben!

Die Idee zu dieser aufsehenerregenden Werbeaktion kam von einem Mann namens Lawrence Wright. Wright war Musikverleger und ein Genie in Sachen Aufmerksamkeit. Jahre zuvor hatte er für einen Song namens "Sahara" am belebten "Piccadilly Circus" in London orientalisch verschleierte junge Damen auf Reitkamelen in den Straßenverkehr geschickt. Und die Sache mit dem Flugzeug über Blackpool war besonders geschickt, weil man hier die Aufmerksamkeit des Publikums auf der Stelle in klingende Münze verwandeln konnte. Blackpool war der prominente Seebadeort der britischen Insel, es gab Theater, Vergnügungspaläste und Tanzsäle, und die Musikverleger, darunter auch Lawrence Wright, hatten strategisch geschickt verteilt eine Unmenge sogenannter "Song Booths" aufgestellt. "Liederbuden" mit einem Pianisten drin, vorne am Eingang:

ein Ausrufer, der die Spaziergänger hereingebeten hat, man hat ihnen Noten in die Hand gedrückt, jeder konnte selber testen und singen, mit professioneller Begleitung des Pianisten, und wenn die Besucher die Bude wieder verlassen haben, dann nur mit den Noten der neuesten Hits in der Tasche. Selbstverständlich des Verlags, dem die Bude gehörte.

Die Leute am Strand von Blackpool, Ohren gespitzt und Mund offen, staunen jetzt noch viel mehr, denn mit einem Mal klinkt der Pilot aus seinem Flugzeug Fallschirme aus. Kleine Pakete, die zur Erde niedersinken, unten am Pier wartet schon ein Kurier mit seinem Auto, der die Noten des Stücks aufsammelt und zu den Liederbuden des Lawrence Wright Verlags bringt, damit die Leute sie dort kaufen können. Und das tun sie auch. Es gibt ein Gedrängel wie selten, fünftausend Stück gehen innerhalb einer Stunde weg.

Das Flugzeug fliegt währenddessen weiter, es bringt das Orchester ins nahegelegene Harrowgate, das Publikum dort hat von dem Flugzeug-Ereignis selbstverständlich schon erfahren und ist ganz aus dem Häuschen. Am nächsten Abend spielen sie das Lied in London, und nicht lange, da wird Lawrence Wright die Rechte an dem Song in die USA verkaufen, der Verlag von Irving Berlin hat Interesse angemeldet. 

Und so, meine Damen und Herren, macht man aus einer fröhlichen kleinen Allerweltsnummer einen Hit. Der Flug des Hylton Orchesters über dem Strand von Blackpool war einer der großartigsten Publicity Stunts des Musikverlegers Lawrence Wright. Von dem es heißt, er sei eine der ganz wenigen Persönlichkeiten der britischen Unterhaltungsmusik dieser Zeit gewesen, die durch ihr Tun ein Vermögen nicht bloß gemacht, sondern es auch bis an ihr Lebensende behalten haben.


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