Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. Juli 2000 Öresundbrücke - Brückenschlag zwischen Dänemark und Schweden

Es ist nicht nur eine Verkehrsader, die schon kurz nach der Fertigstellung kräftig pulsieren wird. Auch kriminaltechnisch hat die Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden bald zahlreiche Fans – TV-Fans! Autorin: Prisca Straub

Stand: 01.07.2019 | Archiv

01 Juli

Montag, 01. Juli 2019

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Plötzlich ist der Strom weg: Mitten in der Nacht gehen über dem Örsesund die Lichter aus. Die knapp acht Kilometer lange Hochbrücke zwischen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und dem schwedischen Malmö - in Finsternis gehüllt. Als die Beleuchtung zurückkehrt, liegt mitten auf der Fahrbahn eine Leiche - zweigeteilt. Zusammengesetzt aus dem Unterleib einer dänischen Prostituierten und dem Oberkörper einer schwedischen Politikerin. - Je eine Körperhälfte auf einer Seite der Grenze, knapp 60 Meter über dem Meer.

Krimi-Grusel

Der alptraumhafte Anblick ruft zwei Ermittler auf den Plan, einen von jeder Seite des Bauwerks. Im fahlen Scheinwerferlicht zwischen 200 Meter hohen Stützpfeilern aus Stahlbeton nehmen sich der dänische Kommissar und seine schwedische Kollegin das erste Mal in Augenschein: Klaviermusik hämmert, der Wind zerrt an seinem Parka, reißt an ihren Haaren - und sofort ist man sich uneinig - über Absperr-Formalitäten. So beginnt die erste Staffel der dänisch-schwedischen TV-Serie "Die Brücke" - und so viel ist schon mal klar: Dies wird eine schwierige Zusammenarbeit.

Die Öresundbrücke - Filmstar im skandinavischen Kriminal-Thriller in mehreren Staffeln: auf dem Oberdeck eine vierspurige Autobahn, Eisenbahngleise im Untergeschoss. Die größte Schrägseilbrücke der Welt führt von Malmö kommend in einem eleganten Schwung über einen Seitenarm der Ostsee, senkt sich kurz vor Kopenhagen auf eine künstliche Insel und verschwindet dann im Meer - erst in der dänischen Hauptstadt tauchen Autos und Züge wieder auf. Das Bauwerk der Superlative verbindet zwei Nachbarländer, die zwar stets in Sichtweite, aber immer in respektvollem Abstand ihre Eigenarten kultiviert haben.

Brücken verbinden

Doch seit die Öresundbrücke am 1. Juli 2000 eröffnet wurde, ist es damit vorbei - es herrscht reges Hin und Her auf der doppelstöckigen Verkehrsader. Und mitten drin: die beiden ungleichen TV-Kommissare - im Zwielicht, in Dämmer und Nebel gehüllt. Sie in einem schlammfarbenen Porsche-Oldtimer, ein hocheffizientes Arbeitstier in Lederhosen und mit eingefrorener Mimik. Er, ein gutmütiger Bär im Strickpullover, der es nicht so genau nimmt und vergeblich versucht, sein chaotisches Privatleben zu sortieren. Die Sonne lässt sich selten blicken - nur die Brücke wirft einen gleißenden Lichterschweif übers dunstige Meer.

Sie geht ihm auf die Nerven mit ihrer Obsession für Dienstvorschriften und ihrer "typisch schwedischen" Political Correctness. Er irritiert sie mit seinen Regelverstößen und damit, die Wörter bis zur Unkenntlichkeit zu verschlucken - "typisch dänisch". eben. Episode für Episode werden neue schaurig zugerichtete Leichen in die Pathologie geschoben; doch die Kommunikation bleibt angestrengt, obwohl das ungleiche Team sich zunehmend miteinander geradezu rührende Mühe gibt. Am Ende fliegt der Serienmörder auf, aber da interessiert sich schon längst niemand mehr für den Psychopathen und seine Motive. Was das Publikum nicht mehr loslässt, sind eine Schwedin und ein Däne, die die Brücke zusammengeführt hat, die sich aber nicht finden konnten.


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