Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. Februar 1809 Nation Building weißblau: Die bayerische Einheitsmaß eint das Königreich

Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit anno 1806. In Bayern gleich gar. Bis wegen dem Napoleon die Franken und Schwaben zum Königreich kamen. Von da an wusste niemand mehr, wie viel Bier man bekam, wenn man eines bestellte. Erst die Einheitsmaß von 1809 ließ zusammenwachsen, was zusammenwachsen musste. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 28.02.2022 | Archiv

28 Februar

Montag, 28. Februar 2022

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ihr sollt nicht ungleich handeln mit Elle, Gewicht und Maß. Rechte Waage, rechte Pfunde, rechte Scheffel, rechte Kannen sollen bei euch sein! So will es der HERR, so hat es Mose verkündet, damit von Anfang an eine Ordnung ist im Verheißenen Land. Und kein so ein Ramasuri wie 1806 in Bayern, wo sich in punkto rechte Waage, rechtes Gewicht und rechtes Maß keiner mehr auskennt.

Franken, Schwaben und Franzosen

Schuld am Wirrwarr sind die neuen Landeskinder. Und der Napoleon. Der hat die Franken und Schwaben den Bayern zugeschachert, weil sie ihm geholfen haben, die Preußen und Österreicher zu verdreschen. Das Raufen hat sich gelohnt, doppelt so groß ist man jetzt, und ein Königreich obendrein. Aber mit der Gemütlichkeit ist es aus, die Neuen raunzen in einer Tour. Dass sie jetzt Bayern sind und München überall anschafft, schmeckt ihnen gar nicht. Am ärgsten spreizen sich die Franken. Ein schwieriges Volk! Nicht bloß, weil man sie kaum versteht und weil sie evangelisch, also fast schon Heiden sind. Sondern, weil sie immer gleich einschnappen und alle Daumen lang was Extriges brauchen.

Die Schwaben sind nicht ganz so schnell beleidigt und insgesamt verträglicher, aber b'sonders sind sie auch. Alle mamsen und masseln, alle wollen messen, wiegen, zuschneiden, abfüllen, ausschenken wie's bei ihnen von je der Brauch war. Aber wie soll das gehen, wenn allerorten die Elle unterschiedlich lang, der Scheffel unterschiedlich schwer und der Krug unterschiedlich voll ist? Eben! Gar nicht! Messtechnisch ist Bayern ein Trümmerfeld mit 93 lokalen Schank-, Zapf- und Flüssigkeitsmaßen. So hält die Maßkanne Bier beispielsweise im oberfränkischen Lauenstein einen halben Liter, während sie im oberbayerischen Laufen anderthalb Liter fasst. Von Kronach bis Kempten, von Aschaffenburg bis Passau ist kein Verlass auf den Füllstand der Maß!

Mehr als ein Liter!

So wird das nichts mit Harmonie und Eintracht im zusammengewürfelten Patchwork-Volk, ein derart gespaltenes Land ist unregierbar! Das weiß auch Max I. Joseph. Weil das Durcheinander nicht allein das Regieren und Besteuern, sondern auch das Miteinander und Handeln erschwert, steht ihm der Sinn nach mehr Mess-Einheitlichkeit.

Um das weißblaue Nationbuilding auf den Weg zu bringen, verfügt der umsichtige Landesherr am 28. Februar 1809 "die Einführung eines gleichen Maß-, Gewicht- und Münzfußes im Königreich Baiern". Damit hat das babylonische Schankgewirr ein Ende und es wächst zusammen, was halt irgendwie zusammenwachsen muss. Für Flüssiges gilt fortan die Münchner Maßkanne überall als Einheit. Sie hält genau 43 bairische Dezimal-Kubikzoll, womit die Standardmass umgerechnet exakt 1,069 Liter fasst. Nicht mehr, aber auch keinesfalls weniger!

So bleibt es 60 Jahre lang. Dann schafft das Kaiserreich die bairische Maßkanne zugunsten des preußischen Liters ab. Ein schwerer Schlag, den die Zeitung "Das Bayerische Vaterland" mit einer bitteren Klage ausschreit: "Was man nun als Maß Bier bezeichnet, verdient den Namen nicht, es ist nur genau ein Liter!"

Üppig ist das keinesfalls. Aber immerhin etwas, das den Wiesn- und Biergartenwirten so langsam vielleicht doch aufgehen sollte.


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