Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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19. Mai 1962 Marylin Monroe singt Happy Birthday, Mr. President

Es war ihr letzter großer öffentlicher Auftritt, doch er ist in die Geschichte eingegangen: Marilyn Monroes Geburtstagsständchen für John F. Kennedy. Bis heute genügt die erste Silbe, um zu wissen: Hier kopiert jemand Marilyns Version ... ob sie oder er das so hinbekommt wie die Monroe, nun ja. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 19.05.2022 | Archiv

19 Mai

Donnerstag, 19. Mai 2022

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

New York, 19. Mai 1962, Madison Square Garden. Marilyn Monroe wartet im Backstage-Bereich auf ihren Auftritt. Der Präsident hat Geburtstag, und es ist ein kleines Ständchen vorgesehen vor 15 000 Parteimitgliedern und laufenden Fernsehkameras. Marilyn hat es stundenlang geübt. Trotzdem zittert sie vor Aufregung, während John F. Kennedy irgendwo da draußen in seiner präsidialen Loge sitzt mit einer Kuba-Zigarre zwischen den Zähnen. Kennedy ist nicht nur ihr Präsident, er ist auch ihr Liebhaber. Oder besser gesagt, er war es, denn ihre Anrufe nimmt er schon seit einiger Zeit nicht mehr entgegen; ohne Begründung, versteht sich. Der Präsident hat oft mehrere Frauen pro Woche. Sex konsumiert er im Vorübergehen wie eine Tasse Kaffee oder eine Süßigkeit.

Entzweigegangen

Die wartende Marilyn trägt ein hautfarbenes Glitzerkleid, in das man sie eingenäht hat.
Es schmiegt sich so eng an ihre butterweichen Formen an, dass sie fast nackt darin wirkt. Ihre Hand umklammert ein Likörglas, die andere ein Kinderbuch. Das hat ihr die Frau ihres Psychiaters mitgegeben, sozusagen als Talisman. Es handelt von einer Lokomotive, die entzwei gegangen ist und dann doch wieder in die Gänge kommt.

Auch Marilyn geht mehr und mehr entzwei. Ihre Zusammenbrüche häufen sich in letzter Zeit. Sie bringen ihr laufendes Filmprojekt, "Something‘s got to give", fast zum Erliegen.
Wenn Marilyn am Set erscheint, sofern sie es überhaupt tut, ist sie benebelt von Alkohol und Drogen. Der Regisseur ist absolut dagegen, dass sie nach New York geflogen ist, ausgerechnet zu diesem Event. Trotzdem sie ist da. Jemand schiebt sie auf die abgedunkelte Bühne, ein Scheinwerfer richtet sich auf sie, Beifall brandet auf.

Die Show ist vorbei

Da steht sie nun, von Licht umflutet. Ihre weiße Haut leuchtet und schimmert mit dem strassbesetzten Kleid um die Wette, ebenso die platinblonden Haare, die schon etwas strohig sind vom vielen Färben. Ganz jung ist Marilyn nicht mehr mit ihren 36 Jahren, und in wenigen Monaten wird sie sterben. Ihre Fingerspitze versetzt dem Mikrophon einen kleinen Schlag zur Begrüßung, die Augen schweifen durch den Raum, die schönen Schultern heben und senken sich ein ums andere Mal, die Spannung im Saal steigt - was wird das wohl werden? Zum Glück steht das Rednerpult neben dieser so irreal, so zerbrechlich wirkenden Frau.

Doch dann bahnt sich, fast geisterhaft, ein dünner, kindlicher Sirenengesang seinen Weg, wie getragen von Marilyns Verführungskraft, die immer stärker ist als ihre Not und die Angst vor dem Scheitern. Happy Birthday, Mr. President. Marilyn hebt die Arme, fordert die Kapelle zum Tusch und das Publikum zum Mitsingen auf, riskiert sogar einen Luftsprung, der aber so wacklig ausfällt, dass sich ein besorgter Assistent aus der Kulisse löst, um sie von der Bühne zu führen. Es ist das Finale, die Show ist vorbei.

Wer ist sonst noch aufgetreten? Na, Ella Fitzgerald und Maria Callas zum Beispiel, aber daran erinnert sich später niemand mehr.


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