Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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29.05.1798 Paris gibt Liebeskonzert für die Elefanten Hans und Grete

Die Liebe ist ein seltsames Spiel, mal trifft sie den Einen, aber nicht den Anderen. Beide gleichzeitig zu entflammen – noch dazu wenn beide dickköpfig und dickhäutig sind, kein leichtes Unterfangen! Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 29.05.2018 | Archiv

29 Mai

Dienstag, 29. Mai 2018

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Vive la France! Vive la République! Halb Europa hat sich gegen Frankreich verbündet, doch das Revolutionsheer marschiert von Sieg zu Sieg. Als im Oktober 1795 die Niederlande fallen, karrt man nicht nur Kunst und Kostbarkeiten nach Paris. Zur Beute gehören auch Hans und Margarete, zwei Elefanten aus der Menagerie des verjagten Statthalters. Kaum haben die Dickhäuter ihr Exil im "Jardin des Plantes" bezogen, fliegen ihnen die Herzen der Hauptstädter zu.

Nicht minder entzückt sind die Zoologen des Naturkundemuseums. Die Gelehrten erhoffen sich Auskunft über ungelöste Rätsel der Elefantennatur. Noch niemand hat je gesehen, wie sich die Kolosse paaren. Da sie, und das weiß nun wirklich alle Welt, überaus genierlich sind, gibt es in diesem Punkt nur Vermutungen. Doch Hans und Grete geben ihr Geheimnis nicht preis: Sie führen eine Josephsehe, so rein und keusch wie frischgefallener Schnee.

Irgendwie wird das nichts…

Auch am Konservatorium läuft es nicht rund. Die Professoren dort sollen klären, welche Musik den Revolutionsgeist stärkt und die Vaterlandsliebe entfacht. Doch wie lässt sich die Einwirkung messen, welche Ohren sind dafür genügend fein und unverbildet? Man trifft sich, man redet, man tauscht sich aus. Ein kühner Plan keimt. Da Elefanten zwar prüde, aber auch sehr musikalisch sind, ersinnen die Forscher einen raffinierten Versuch: Man spielt den Dickhäutern auf; vielleicht kann ein Konzert den Einfluss der Klänge ergründen und zugleich die gestockte Libido lockern.

Musik liegt in der Luft

Das Experiment steigt am 29. Mai 1798. Auf einer Galerie über dem Käfig haben sich vierzehn Musiker hinter einer Klappe postiert. Während Hans und Grete ihr Frühstück verzehren, beginnt die unsichtbare Musik. Die Tiere vergessen ihr Futter, sind unruhig, wirken ratlos, verstört. Dann überlassen sich Hans und Grete willig dem Wechsel der Rhythmen, Tempi und klanglichen Launen. Sie schlenkern die Rüssel im Takt, sie drehen und wiegen sich lebhaft, sie tänzeln und stampfen, sind traurig und heiter ganz nach Gehör.

Grete vor allem steht ganz im Bann der betörenden Töne. Sie tanzt den Bullen bald träumerisch, bald schmachtend, bald auffordernd an. Als die Musiker den Revolutionskracher "Ça ira" anstimmen, ist es um ihre Contenance vollends geschehen. Von Eros entflammt, schickt Grete ihren Rüssel auf amouröse Eroberungstour. Sie karessiert dem Gefährten neckend Hintern und Rücken, bohrt ihm den hitzigen Venus-Tentakel kosend ins Ohr, streckt sich zuletzt, von innerer Brunst überwältigt, einladend hin. Aber ach! Umsonst ist alle Liebesmüh. Hans bleibt selbst beim innigsten Stehblues kühl und zugeknöpft.

Vielleicht braucht der Schwerenöter einfach mehr erotischen Anlauf und ungestörte Zweisamkeit? In der folgenden Nacht jedenfalls dringen seltsame Geräusche aus dem Elefantengemach. Und als der Wärter, vom Rumoren und Rumpeln aufgeschreckt, nach dem Rechten sieht, ertappt er das Paar in seligster Wallung.

Das muss genügen. Sittsamkeit und Zartgefühl verbieten die Schilderung intimerer Details. O holde Musica, du sinnenfrohe, gliederlösende Kupplerin: Vive l'amour! Vive la musique!


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