Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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19. August 1855 Kondensmilch patentiert

Die Milch macht’s – dachte man lange. Aber was macht man, damit die Milch nicht schlecht wird? Man entzieht ihr Wasser und setzt Zucker zu und macht so Kondensmilch.

Von: Isabella Arcucci

Stand: 19.08.2019 | Archiv

19 August

Montag, 19. August 2019

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ohne Herzchen geht heute nix mehr! Ein Herzchen im Schaum muss sein. Ein Blümchen geht natürlich auch. Wer es aber richtig "fancy" mag, der schlürft seinen Kaffee dort, wo es wirklich angesagt und stylish ist und einem der Barista sogar einen richtigen Drachen in den Cappuccino- oder Latte Macchiato-Milchschaum zaubert! Natürlich nicht in echte Milch. Also herkömmliche Milch, die von Kühen stammt. Die, das weiß man heute, ist nämlich gar nicht sooo gesund wie gedacht und kann, laut wissenschaftlichen Studien, bei zu großem Konsum sogar schädlich sein. Wer sich als Teil der urbanen Latte Macchiato-Generation fühlen will, der besteht deshalb konsequent auf Soja-, Mandel-, Hafer- oder Dinkelmilch. Klingt auch nur vernünftig, wenn man bedenkt, dass drei Viertel der Menschheit eh Laktose intolerant sind, also gar keine Kuhmilch vertragen. Normalerweise verliert der menschliche Organismus nach dem Abstillen das Enzym Laktase und somit die Fähigkeit, Milchzucker vollständig zu verdauen. Doch einige Volksgruppen, vor allem in Europa, betrieben ab der Jungsteinzeit Milchwirtschaft, wodurch es zur genetischen Mutation kam. Im deutschsprachigen Raum sind daher nur ungefähr 15% der erwachsenen Bevölkerung von einer Laktoseintoleranz betroffen. Der Rest hat genügend Laktase im Dünndarm, um mit einem in Kuhmilch gegossenen Herzchen oder Blümchen ohne Flatulenzen fertig zu werden.

Milch für die Armee

Schließlich galt Milch in unseren Breiten Jahrhunderte lang als wahrer Wundertrunk, der groß und stark machen sollte und nur einen Fehler besaß: er wurde schnell schlecht. Kein Wunder also, dass der französische Konditor Nicolas Appert 1822 den Titel "Wohltäter der Menschheit" erhielt, weil es ihm gelungen war, haltbare Milch herzustellen, als Proviant für die französische Armee. Der Trick: Appert hatte der Milch das Wasser entzogen, indem er sie im kochenden Wasserbad eindicken ließ und danach in Blechdosen abfüllte. Besonders lecker war das leider nicht. Der englische Forscher William Newton kam daher auf die Idee, der Milch Zucker hinzuzufügen, was ihre Haltbarkeit noch steigerte. Letztendlich war es jedoch der Amerikaner Gail Borden, der am 19. August 1855 das Patent zur Herstellung von Kondensmilch erteilt bekam. Borden kochte die Milch bei 55 Grad Celsius in einem Vakuumverdampfer ein - und machte aus diesem Verfahren ein riesen Geschäft.

Ein Stück "deutsches Kulturgut"

Bordens Patent sollte vor allem die deutsche Kaffee-Kultur nachhaltig prägen. Eine Kultur, die seit einigen Jahren vom Siegeszug der Vanilla Almond Latte Macchiatos und Soya Latte Frappuccinos mehr und mehr verdrängt wird. Doch ab und an gibt es sie noch, die lichten Sommernachmittage in deutschen Ausflugscafés, wo einem die Bedienung ohne jegliche Barista-Kunstfertigkeit, dafür mit Vehemenz und Strenge, den dünnen Filterkaffee vor die Nase setzt. Das Kännchen Kondensmilch steht schon auf dem Tisch bereit und man kann sich versonnen fragen, wer da heute, oder gestern, oder vorgestern schon alles reingenießt hat. Der Haltbarkeit tut das freilich keinen Abbruch! Oder?


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