Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. November 1977 Klaus Fischer erzielt Fußballtor des Jahrhunderts

Klaus Fischer aus dem Bayerischen Wald, Stürmer bei Schalke 04, gelang etwas, das fußballphysikalisch durchaus so bemerkenswert war, dass es ihn glatt zum Jahrhunderttorschützen machte. Seine Fallrückzieher waren allesamt legendär. Mit einem aber schrieb er Fußballgeschichte. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 16.11.2023 | Archiv

16 November

Donnerstag, 16. November 2023

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Der Tagesablauf eines Heranwachsenden sah in den 1970er Jahren ungefähr so aus: Von acht Uhr früh bis mittags um eins - Schulunterricht. Danach schnell heim zum Essen. Von 13 Uhr 15 bis 13 Uhr 19 - Hausaufgaben! Anschließend Fußball auf der Wiese vorm Haus, bis zum Einbruch der Dunkelheit. Unterbrochen wurde dieser natürliche Rhythmus nur von Mumps, Scharlach oder Schulferien. Übrigens glaubten Eltern damals nur selten, dass die Lerndefizite ihrer Kinder – etwa in Mathematik oder Physik - durch Nachhilfestunden ausgeglichen werden müssen. Etwaige Ansinnen stießen beim Nachwuchs auf erbitterten Widerstand, schließlich hätte Nachhilfe bei irgendeinem Mathe-Nerd mit Brille ja bedeutet, dass kostbare Kicker-Zeit mit den Kumpels verloren geht. Das durfte nicht passieren. Weshalb findige Burschen ihren Eltern weismachten, das tägliche Fußballspiel sei ja im Grunde nichts anderes als angewandter Physik-Unterricht!

Torweise zur guten Zensur

Als Beweis für ihre steile These führten die Jung-Kicker gern den Mittelstürmer Klaus Fischer von Schalke 04 an. Der hatte in den 70er Jahren Berühmtheit erlangt durch geniale Fallrückzieher-Tore. Die waren echte Wunder der Physik! Nicht-Fußballern sei der Ablauf kurz erklärt: Ein Spieler, mit dem Rücken zum Tor stehend, lässt sich mit einem leichten Sprung nach hinten auf den Rücken fallen und schlägt dabei den Ball volley über seinen eigenen Kopf in das gegnerische Tor. Besagter Klaus Fischer, geboren 1949 im Landkreis Regen, war ein wahrer Meister in dieser artistischen Disziplin. Der drehende Kugelblitz aus dem Bayerischen Wald schien schwerelos durch Zeit und Straf-Raum zu schweben! Was durchaus bemerkenswert war, weil Fischer als Stürmer von stämmiger Statur unzweifelhaft als Festkörper im Sinne der Physik gelten durfte.

Fischer netzt ein

Für alle 13-jährigen Jung-Fußballer aber war der Niederbayer noch viel mehr, nämlich die Inkarnation eines Fußball-Gottes. Warnhinweise gab es seinerzeit ja noch nicht, weder auf Zigarettenschachteln noch bei Sportübertragungen, weshalb man von purem Glück sprechen kann, dass sich keiner der Nachwuchsspieler die Gräten gebrochen hat beim Versuch, den "König des Fallrückziehers" nachzuahmen.

Klaus Fischer hatte in seiner Karriere vier Tore auf diese unnachahmliche Weise erzielt. Besonders in Erinnerung geblieben aber ist das vom 16. November 1977. Im Freundschaftsspiel Deutschland gegen die Schweiz stand es 3 zu 1, als in der 60. Minute die Flanke des Schalker Team-Kollegen Rüdiger "Abi" Abramczik von rechts außen in den Strafraum segelte. Klaus Fischer, mit dem Rücken zum gegnerischen Tor, schraubte sich in den Himmel des Stuttgarter Neckarstadions und versenkte, waagerecht in der Luft liegend, das Leder im Gehäuse der Eidgenossen. Die Fernsehzuschauer der ARD waren sich einig: Es war das Tor des Jahrhunderts! Wieder einmal hatte sich eine Grundregel der Festkörperphysik bestätigt: Ohne Flankengott kein Fallrückzieher-König! Auch wenn dieses sogenannte Fischer-Abramczik-Gesetz in keinem Physik-Lehrbuch zu finden ist, hatte die Fußballjugend der Republik an jenem Mittwoch im Herbst doch wieder was fürs Leben gelernt.


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