Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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7. Dezember 1801 Johann Nestroy geboren

Bis heute gewinnt Johann Nestroy das Publikum mit seinem ehernen Grundsatz: Auch, wenn´s philosophisch wird - "Lachen soll´n die Leut´." Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 07.12.2018 | Archiv

07 Dezember

Freitag, 07. Dezember 2018

Autor(in): Herbert Becker

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Es ist eigenartig: Das, was den Menschen zum Lachen bringt, ändert sich alle paar Jahre. Das, was ihn in seinem Innersten bewegt - welchen Sinn hat das Leben? Was ist Glück? Was ist das Wesen von Freiheit und Gerechtigkeit? - bleibt immer gleich.

Mit der letztgenannten Frage beschäftigte sich vor gut eineinhalb Jahrhunderten auch Johann Nestroy. In seinem Stück "Freiheit in Krähwinkel" lässt er den jungen Revolutionär Eberhard Ultra räsonieren: "Was für eine Menge Rechte haben wir g'habt, diese Rechte der Geburt, die Rechte und Vorrechte des Standes, dann das höchste unter allen Rechten, das Bergrecht, dann das niedrigste ..., dass man selbst bei erwiesener Zahlungsunfähigkeit und Armut einen einsperren lassen kann... Und trotz all diesen unschätzbaren Rechten haben wir doch kein Recht g'habt... Was haben wir ferner alles für Freiheiten g'habt! ... zu gewissen Zeiten Marktfreiheit... in der Residenz... die Maskenfreiheit... in die Kaffeehäuser... Billardfreiheit! Wir haben sogar Gedankenfreiheit g'habt, insofern wir die Gedanken bei uns behalten haben. ... Mit einem Wort, wir haben eine Menge Freiheiten gehabt, aber von Freiheit keine Spur. Na, das ist anders geworden und wird auch in Krähwinkel anders werden."

A Revolutionerl - ja, gern!

Ultra will den Krähwinklern Recht und Freiheit bringen. Sie leiden unter einem Regime von Despoten und Spitzeln - allerdings nicht so sehr, dass sie gleich eine Revolution machen würden; ein Revolutionerl, ja, aber keins, das die Verhältnisse tatsächlich ändern würde.

Nestroy hat die Posse mit Gesang im Revolutionsjahr 1848 geschrieben und uraufgeführt - in der kurzen zensurfreien Zeit zwischen März und Oktober. Und er hat sich damit ganz auf die Seite derer gestellt, die demokratische Reformen verlangten. Auch ihm, dem Bühnenautor, hatte die Zensur schon zu schaffen gemacht; mehrmals war er eingesperrt worden. Er quittierte das obrigkeitliche Vorgehen damit, dass er es von der Bühne herunter anprangerte.

"Die Zensur", sagt Ultra, "is die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition. Die Zensur ist das lebendige Geständnis der Großen, dass sie nur verdummte Sklaven treten, aber keine freien Völker regieren können."

Der Ries´ in der Wieg´n

Damit bezieht Nestroy zwar eindeutig Stellung für die Revolution, doch das hindert ihn nicht, sich über deren kleingeistige Nutznießer lustig zu machen. Von der Freiheitsliebe, dem Mut und dem Durchhaltevermögen der Masse hat er eine eher geringe Meinung. "Das Volk", findet er, "ist ein Ries’ in der Wieg’n, der aufwacht, aufsteht, herumtorkelt, alles z’samtritt und am End’ wo hinfallt, wo er noch schlechter liegt als in der Wieg’n“.

Das Theaterpublikum in der Mitte des 19. Jahrhunderts kannte das Pathos und die Sentimentalität der romantischen Stücke; ein derart derber, zeitkritischer Realismus war ihm neu. Nestroy aber bot ihn mit so viel Humor dar, dass man sich königlich amüsierte. Er wickelte, wie Karl Kraus fand, "sein Dynamit in Watte".

… am 7. Dezember 1801 wurde Johann Nepomuk Nestroy geboren. Seine Stücke - "Der böse Geist Lumpacivagabundus", "Zu ebener Erde und erster Stock", "Der Talisman", "Einen Jux will er sich machen" und so weiter - werden bis heute in regelmäßigen Abständen neu entdeckt. Das liegt zum einen daran, dass die philosophischen Fragen, die in ihnen aufgeworfen werden, zeitlos sind. Zum anderen aber werden sie nach wie vor dem ehernen Grundsatz Nestroys gerecht, der da lautete: "Lachen soll'n die Leut".


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