Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. Oktober 2010 Instagram erscheint als mobile App

Instant-Telegramm mit denen man Bilder mit der Welt teilen kann. Braucht keiner? Mike Krieger und Kevin Systrom waren anderer Meinung und erfanden Instagram, das mittlerweile über eine Milliarde aktive Nutzer hat. Autorin: Katharina Hübel

Stand: 06.10.2020 | Archiv

06 Oktober

Mittwoch, 06. Oktober 2010

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Was macht den Mensch zum Menschen? Ist es der aufrechte Gang? Seine Intelligenz? Die Wahrheit ist profaner: Wir haben unser großes Gehirn, damit wir unser kniffliges Sozialleben auf die Reihe kriegen, einen Weg finden zwischen Romanzen, Verbündeten, Intrigen, falschen Freunden und Gerüchteküche.

Das Instant-Telegramm

Das Miteinander-Vernetzen liegt uns in den Genen, ist Überlebensstrategie. Sobald homo sapiens also ein Smartphone in die Hand gedrückt bekam, meldete er sich bei sozialen Plattformen an. Als am 06. Oktober 2010 beispielsweise eine Foto-App freigeschaltet wurde, meldeten sich binnen weniger Stunden bereits 10.000 User an. Alle wollten ihre Fotos in einer Community teilen. Bis dahin nicht so einfach möglich. Die neue App hieß: Instagram – kurz für Instant-Telegramm.

Die Macher: zwei Hochschulabsolventen von der Uni Stanford: Mike Krieger und Kevin Systrom, ein Denker und ein Programmierer. Sie glaubten in den ersten Tagen von Instagram, sie zählten falsch. Ihre Serverkapazitäten waren eigentlich nicht für so viele User ausgelegt, erstmal mussten sie alles irgendwie technisch am Laufen halten. Und als dann Popsänger Justin Bieber ein relativ unspektakuläres Bild vom Straßenverkehr postete, ging Instagram durch die Decke. Tausende hefteten sich virtuell an seine Fersen, wurden Follower, um ja keinen Ausschnitt aus Justin Biebers Leben zu verpassen. Kevin Systrom, der Kopf von Instagram, Kind des Silicon Valley, war von nun an auf Selfie-Jagd – mit Karl Lagerfeld, dem FC Bayern, mit Hollywoodstars. Und zwar in Anzug statt in Kapuzenpulli: Systrom setzte Krawatte gegen Schmuddle-Computer-Nerd-Image und rief sogar den "Tie Tuesday" aus – den Krawatten-Dienstag.

"Ikonographische Wende"

Style wird das Markenzeichen von Instagram. Systrom kreierte für die App eine unverkennbare Foto-Optik, inspiriert von einem Auslandssemester in Florenz, wo er Fotografie studierte und eine sehr alte, sehr billige Kamera in die Hand gedrückt bekam. Die Instagram-Fotos sind quadratisch mit Rand – also wie ein Polaroid.

Und Frau Nicoles Frust über schlechte Schnappschüsse brachte Systrom auf die Idee, Farb-Filter zu kreieren, die man in der App auf das Foto ziehen kann. Und so blickt der homo sapiens zunehmend mit dem Auge der Kamera in die Welt – ganz besonders auf sich selbst. "Selfie" schafft es in den normalen Sprachgebrauch, bringt Menschen auf neue Erfindungen wie den "Selfie-Stick", verändert ehemals menschliche Antlitze in "Duck-Faces". Plötzlich fotografieren alle ihr Essen – "Food Porn" wird eine eigene Gattung. Plötzlich gibt es Instagram-Tourismus: Hunderte von Menschen zieht es beispielsweise in die bayerischen Alpen, um im Bikini auf Gumpen zu posieren – Lebensgefahr hin oder her. Das Leben wird bewertet nach "Instagramability" – also danach, ob es viele Likes gibt. Von "Ikonographischer Wende" spricht Kevin Systrom. Für wichtiger als die Erfindung der Schriftsprache hält er das unbegrenzte Speichern von Fotos, Menschendasein als unendliche Bilderflut, geteilt mit der Welt. Und dann ist da dieser entscheidende Spaziergang mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Und Kevin Systrom verkauft Instagram nach nur zwei Jahren für eine Milliarde Dollar.


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