Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. Januar 1880 Im Ilopango-See taucht eine Insel auf

Inseln sind der Inbegriff von Unbeständigkeit. Dauernd bricht etwas ab, oder sie werden von Wind und Wellen verschoben. Ab und zu spuckt Mutter Erde auch eine aus, so wie die Islas Quemadas in El Salvador.

Stand: 20.01.2021 | Archiv

20 Januar

Mittwoch, 20. Januar 2021

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

"Kein Mensch ist eine Insel", sagte schon der Philosoph Thomas Merton. Doch Inseln haben mit uns durchaus etwas gemeinsam. Auch manche Inseln werden zum Beispiel geboren. Oft dauert die Geburt sehr lange, aber ab und zu kommt es vor, dass von einem auf den anderen Tag ein neugeborenes Eiland aus dem Wasser ragt.

Dies ist anfangs natürlich noch klein; nur in einem einzigen Ausnahmefall ist dokumentiert, dass in so kurzer Zeit eine größere Insel, ja ein Kontinent entsteht. Der Kinderbuchautor Michael Ende schildert im Buch "Jim Knopf und die Wilde 13", wie das Land Jamballa aus den Tiefen des Ozeans emporsteigt, nämlich indem auf der anderen Seite des Globus ein Felsenriff namens "Das Land, das nicht sein darf" von einer Truppe Piraten versenkt wird. Also durch eine Art Hebelwirkung: man drückt eine Insel hinunter, und auf der anderen Seite hebt sich ein Stück Land aus dem Wasser.

Eine Insel hat Geburtstag

Ob am 20. Januar 1880 ein Stück Land unter Wasser verschwand, ist nicht bezeugt. Klar ist nur, dass an jenem Tag eine Insel geboren wurde, und zwar im Ilopango-See in El Salvador. Besonders erwähnenswert erschien das den Zeitgenossen wohl nicht, die Quellen darüber sind so spärlich wie das Eiland winzig ist. Auch machte die Insel um ihre Geburt offenbar wenig Aufhebens. Nach einem Erdbeben tauchte sie einfach auf, ohne Rauchzeichen oder sonstige Grüße von sich zu geben. Die Geologen – nicht zufrieden mit Michael Endes Hebeltheorie – haben dazu ihre eigene Erklärung.

Schnell entstehende Inseln sind, so sagen sie, vulkanischen Ursprungs. Das flüssige, heiße Magma im Erdinneren steht unter gewaltigem Druck. An dünnen oder brüchigen Stellen des Erdmantels, wie etwa den Rändern der Kontinentalplatten, kann es schon mal passieren, dass die Oberfläche dem wachsenden Druck nicht standhält; und so drängt die flüssige Lava ins Freie. Wenn das plötzlich geschieht, kommt es zu einem Vulkanausbruch. Die Lava um das Ausbruchsloch kühlt an der Luft ab und bildet eine Erhebung. Wenn so ein Ausbruch vom Meeresboden aus stattfindet, sieht man davon erst dann etwas, wenn der Gipfel hoch genug ist, um aus dem Wasser zu ragen.

So geschehen zum Beispiel im Jahr 1963, als südlich von Island die Insel Surtsey mit viel Getöse und Gequalm ihren Weg an die Oberfläche paffte.

Keiner ist eine Insel

Das Inselchen im Ilopango-See tat nichts dergleichen. Denn es ist ein Lavadom, wie die Geologen sagen. Der See ist nichts anderes als ein vollgeregneter Vulkankrater; und da geschieht es ab und zu, dass zähflüssige Lava durch den sogenannten Schlot, das Austrittsrohr des flüssigen Gesteins, nach oben quillt wie aus einer Zahnpastatube. So bildet sich stillschweigend ein Kegel aus Stein.

Die "Islas Quemadas", deren Spitze am 20. Januar 1880 die Wasseroberfläche erreichte, führt seit ihrer Geburt eine bescheidene Existenz. Auf ihr tummeln sich vor allem Enten. Eine Überlegung für das örtliche Tourismusbüro: wie wäre es mit einem Ausflugsort für Paare, die am 20. Januar heiraten? "Keiner ist eine Insel", das wird besonders am Hochzeitstag klar. Doch die Feier wird auf jeden Fall zum Tanz auf dem Vulkan – ist doch das Eiland nur ein Pfropfen auf dem heißen Schleudersitz von Mutter Erde.


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