Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. Oktober 1947 Humphrey Bogart fliegt nach Washington

Kommunismus, das sind unamerikanische Umtriebe! Um diese zu unterbinden, nahm die US-Regierung in der Nachkriegszeit auch Hollywood gnadenlos unter die Lupe. Viele kuschten. Aber nicht alle, wie zum Beispiel Humphrey Bogart. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 26.10.2020 | Archiv

26 Oktober

Montag, 26. Oktober 2020

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Angst fördert den Absatz! Man muss nur wissen, wie man sie schürt, schon lässt sich viel verkaufen: Versicherungen, Geldanlagen, Glaube und Politik. Auf diesen Wahlkampfbooster setzen auch die Konservativen im Amerika der Nachkriegszeit. Sie haben genug von Roosevelts New Deal, von Sozialstaat, Bankenkontrolle, Armenfürsorge! Wo das hinführt, weiß man ja: schnurstracks in den Kommunismus, direkt in den Untergang. Höchste Zeit, den Teufel an jede Wand zu malen, Alarm zu brüllen und rumzuposaunen, wie schrecklich nah der Abgrund ist.

Rote Propaganda?

Der Feind ist benannt, jetzt muss man ihn nur noch finden, ausräuchern und unschädlich machen. Diesen Part übernimmt das Komitee für unamerikanische Umtriebe, ein Ausschuss des Repräsentantenhauses. Weil das Kesseltreiben eher mau anläuft und versprochene Entlarvungsknaller ausbleiben, nimmt das Komitee ab 1947 ein neues Ziel ins Visier: Hollywood! Das zieht bestimmt, das holt den Karren aus der Begeisterungsflaute. Der Anstoß zum Filzen der Filmindustrie kommt aus dem Herzen der Traumfabrik selbst. Studiobosse und Stars wie Walt Disney, John Wayne und Robert Taylor rufen nach einem Besen, der den sozialistisch versifften, kommunistisch unterwanderten Saustall endlich auskehrt. Das Komitee bittet erfreut zum Tête-à-Tête und strickt mit den besorgten Patrioten eine Liste verdächtiger Autoren, die rote Propaganda in vermeintlich harmlosen Geschichten verstecken.

Als das Komitee Anfang Oktober zehn der Angeschwärzten nach Washington zitiert, macht die Angst das Gros der Filmleute fügsam und mundtot. Wie die Dinge liegen, fällt man besser nicht auf, hält einfach die Klappe. Denn so eine Vorladung ist eine verdammte Falle: Wer die Aussage verweigert, riskiert Haft- und Geldstrafen. Wer aussagt, verrät entweder sich selbst oder andere. Was tun? Wer ist der Nächste? Wem kann man noch trauen? Wer schielt auf Karriere und wetzt schon die Messer?

Die Gedanken sind frei

Viele kuschen. Andere halten mit ihrer Wut über die Praktiken des Komites nicht hinterm Berg. Besonders heftig protestiert eine Gruppe, der Hollywoodjuwelen wie Humphrey Bogart, Lauren Bacall, Gregory Peck und Kathrin Hepburn angehören. Was sich da als Rettung Amerikas gebärdet, geißeln sie als Angriff auf die heiligsten Verfassungsgüter, auf die Freiheit der Gedanken, der Gesinnung, der Rede. Um das Land wachzurütteln, nutzen die Stars ein Werkzeug, das sie aus dem Effeff beherrschen: Blitzlicht, Kameras, Publicity. Einen Tag vor Beginn der Anhörungen, am 26. Oktober 1947, chartern 14 Kinolegenden ein Flugzeug, fliegen nach Washington und haben nur eins im Sinn: Krach schlagen, das Übel anprangern, laut und unerschrocken.

Kurz vor dem Start macht Bogart noch einmal klar, was allen und vor allem ihm die Galle hochtreibt: "Ich fliege nach Washington, weil ich ein wütender Bürger bin, weil die Verfassung missbraucht wird, und weil ich glaube, dass es niemandem und schon gar nicht diesem verdammten Ausschuss zusteht, auf unseren Grundrechten herumzutrampeln." Genutzt hat es nicht viel. Trotzdem, Bogie, das könnte auch so die Fortsetzung einer wunderbaren Freundschaft sein.


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